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Politik: Schröder: Wir helfen der Türkei

Bundeskanzler sieht Chancen für baldige EU-Beitrittsverhandlungen – wenn Ankara die Reformen voranbringt

Istanbul. Kanzler Gerhard Schröder erwartet baldige Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei und will sich in Brüssel verstärkt für die türkische Kandidatur einsetzen. Es gebe „gute Chancen“ für den Beginn von Verhandlungen, sagte er am Montag in Ankara. Von der EU verlangte er „Fairness“ im Umgang mit der Türkei. Damit unterstützte Schröder das türkische Bestreben stärker als andere EU-Regierungschefs. Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan forderte Beitrittsgespräche noch 2004. Die Diskussion über die skeptischen Äußerungen von Bundespräsident Johannes Rau über eine türkische Mitgliedschaft ging weiter.

In einem Gespräch mit Erdogan würdigte Schröder die Reformanstrengungen der Türkei und strich dabei besonders das Engagement der türkischen Regierung für eine Lösung des Zypern-Konflikts heraus. Zwar müsse die Türkei mehr zur Umsetzung beschlossener Reformen tun und das „alte Denken“ überwinden, doch sei das Land „auf einem guten Weg“. Die EU verspreche der Türkei seit 40 Jahren eine Mitglieds-Perspektive und müsse nun zu ihrem Wort stehen. Wenn die Türkei bis Ende des Jahres weitere Fortschritte bei Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Minderheitenpolitik mache, „dann müssen Beitrittsverhandlungen beginnen“, sagte Schröder beim ersten Türkei-Besuch eines Bundeskanzlers seit elf Jahren. „Hierfür werde ich mich einsetzen.“ Die EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden Ende des Jahres auf Grundlage eines Berichts der EU-Kommission über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Die Türkei ist das einzige EU-Bewerberland, mit dem noch keine Gespräche geführt werden.

Die Türkei wolle durch die Beitrittsverhandlungen ihr in den letzten Jahren häufig sehr schwieriges Verhältnis zur EU normalisieren, sagte Erdogan. Er unterstrich, sein Land erwarte die Entscheidung über die Eröffnung von Gesprächen „mit großer Zuversicht“. Die Gespräche sollten unmittelbar nach dem EU-Beschluss noch im Dezember beginnen, sagte Erdogan. Bisher war von einem möglichen Verhandlungsbeginn in der ersten Hälfte des kommenden Jahres ausgegangen worden.

Erdogan ging auch auf die Debatte um den Vorschlag einer „privilegierten Partnerschaft“ mit der Türkei außerhalb der Mitgliedschaft ein, den CDU-Chefin Angela Merkel vor einer Woche in Ankara vorgestellt hatte. Hoffentlich werde die CDU ihre Haltung noch ändern, sagte Erdogan. Schröder erwähnte Merkel nicht und sagte in seiner Tischrede bei einem Mittagessen mit Erdogan nur, die Frage der Beitrittsverhandlungen werde in Deutschland „intensiv diskutiert“.

Die Debatte um die Äußerungen Raus zur türkischen EU-Bewerbung habe in den Gesprächen Schröders keine Rolle gespielt, verlautete aus Delegationskreisen. Rau hatte gesagt, derzeit sei es noch zu früh, um über eine türkische EU-Mitgliedschaft zu reden, und auf die fehlende Umsetzung von Reformen verwiesen. Der CDU-Europapolitiker Peter Hintze sagte, angesichts des von Rau angesprochenen Unterschieds zwischen der Gesetzeslage und dem Alltag eines Landes solle die EU über die „privilegierte Partnerschaft“ nachdenken. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, die Türkei sei noch nicht beitrittsfähig.

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