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Schroeder

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Schröders Iranreise: Unter Beobachtung

Die Iranreise von Gerhard Schröder, bei der er auch Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad getroffen hat, wird heftig kritisiert. Welche Auswirkungen hat der offiziell private Ausflug des Ex-Kanzlers?

Von Hans Monath

Selten hat die Reise eines Ex-Kanzlers so viel Kritik auf sich gezogen wie der Ausflug Gerhard Schröders in den Iran. Nicht nur die Mehrzahl der Kommentatoren wertete das Treffen mit Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad als schädlich. Schröder habe dem international isolierten Holocaust-Leugner vor der Präsidentenwahl im Juni wertvolle Anerkennung verschafft, bemängelte etwa der CDU-Außenpolitiker Eckart von Klaeden. Der Zentralrat der Juden in Deutschland warnte, Schröder füge dem Ansehen Deutschlands schweren Schaden zu.

Für weit weniger dramatisch und schädlich hält dagegen der Iran-Experte Volker Perthes den Vorgang: „Schröder hat seine Botschaften in Teheran deutlich gemacht, es gibt keinen Grund, die Reise zu verurteilen“, sagt der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Auch das Gespräch mit Ahmadinedschad stuft Perthes nicht als Fehler ein – als Ex-Kanzler sei es geboten, einer solchen Einladung zu folgen. Der Wissenschaftler betont eher die Chancen der Begegnung: Die politische Elite im Iran sei sich bewusst, dass sie nur über wenige politische Kontakte in den Westen verfüge. „Ein Elder Statesman, der ihnen unsere Wahrnehmung erklären kann, ist für sie wertvoll.“ In gewisser Weise hält Perthes die Mittlerfunktion Schröders sogar für vorbildlich: „Wir sollten eher bedauern, dass kein ehemaliger Spitzenpolitiker aus dem Iran uns bei einem Besuch die Sichtweise seines Landes verständlich macht.“

Anders als bei vielen Reisen in Diktaturen während seiner Amtszeit hatte Schröder schon vor den Gesprächen die zentralen Konflikte öffentlich angesprochen. So riet er in Teheran, der Iran solle die Chance nutzen und das Angebot des neuen US-Präsidenten Barack Obama zum direkten Dialog aufnehmen. In voller Übereinstimmung mit der Politik der Iran-Verhandlergruppe aus sechs Staaten (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien, Deutschland) sprach der Ex-Kanzler seinen Gastgebern das Recht zur friedlichen Nutzung der Nuklearenergie zu, forderte sie aber auf, alle internationalen Verpflichtungen einzuhalten. An Israel-Gegner Ahmadinedschad übte er Kritik: „Der Holocaust ist eine historische Tatsache.“ Es mache keinen Sinn, dieses „einmalige Verbrechen“ zu leugnen. Diese Aussage wurde auch in der iranischen Presse abgedruckt.

Der letzte Besuch eines deutschen Außenministers in Teheran datiert allerdings aus dem Jahr 2003, seither reisten nur Politiker der zweiten Reihe dorthin. Dass sich Schröder im Ruhestand die Freiheit nimmt, auch jenseits der offiziellen Linien deutscher Außenpolitik Akzente zu setzen, hat er mehrfach bewiesen. Vor drei Jahren forderte er direkte Verhandlungen mit der Hamas. Dagegen stufen Bundesregierung und EU die Hamas als Terrororganisation ein und verweigern Gespräche mit ihren Vertretern, solange sie nicht auf Gewalt verzichten und das Existenzrecht Israels anerkennen.

Nach der Debatte um Schröders Teheran-Reise versicherten Sprecher der Bundesregierung und des Auswärtigen Amtes, der Ex-Kanzler sei nicht in offiziellem Auftrag gereist. Schröder selbst betonte, er sei der Einladung eines mit ihm befreundeten iranischen Medizinprofessors gefolgt, der in seiner Heimat ein Wissenschaftszentrum eröffnete. Allerdings traf der Ex-Kanzler auf der privaten Reise nahezu alle wichtigen politischen Akteure der islamischen Republik.

Deutschland steht international unter verschärfter Beobachtung, was seinen Umgang mit dem Mullah-Regime angeht. In diesem Zusammenhang könnte Schröders Ausflug Kritikern der deutschen Politik in Israel und den USA neue Nahrung geben. Ihr Vorwurf lautet, das Interesse der deutschen Exportindustrie am Geschäft mit dem Iran wiege schwerer als der politische Wille, Israels Sicherheit zu garantieren. Ein Kommentator des „Wall Street Journals“ urteilte, die größte deutsche Sorge gelte wohl „nicht einer islamischen Bombe, sondern dem Risiko härterer UN-Sanktionen“. Tatsächlich bereitet Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Absprache mit den Partnern längst härtere Sanktionen für den Fall vor, dass der Iran im Atomstreit weiter die volle Kooperation verweigert.

Laut dem jüngsten Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) verfügt der Iran über deutlich mehr niedrig angereichertes Uran, als bisher von Teheran angegeben wurde. Nach Angaben von US-Wissenschaftlern bedeutet dies, dass der Iran bereits genügend Nuklearmaterial besitzt, um nach zusätzlichen Anreicherungsschritten die Atombombe zu bauen. IAEO-Experten warnen aber vor voreiligen Schlussfolgerungen: Bislang gebe es keine konkreten Anhaltspunkte, dass der Iran an den Kontrollen vorbei dieses Uran zu waffenfähigem Material weiterverarbeiten wolle.

Schnelle Fortschritte im amerikanisch- iranischen Verhältnis nach dem Gesprächsangebot von US-Präsident Barack Obama erwartet Iran-Experte Volker Perthes nicht: „Beide Seiten denken noch darüber nach, wie man miteinander ins Gespräch kommen kann.“ Auch erwartet der Wissenschaftler, dass bei solchen Kontakten nicht gleich der Atomkonflikt im Mittelpunkt steht. Wahrscheinlicher sei, dass die neue US-Regierung zunächst Gespräche über gemeinsame Interessen anbiete, um so Vertrauen wachsen zu lassen.

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