zum Hauptinhalt

Politik: Schröders Vermächtnis

Grüne sehen die Initiative als „Akt der Selbstbehauptung“ Die Union will den Nationalen Ethikrat nun doch erhalten – 150 verärgerte Abgeordnete fordern dagegen ein eigenes Gremium

Berlin - Ein Wahlsieg von Angela Merkel wäre das Ende für den Nationalen Ethikrat – das hatten viele Ratsmitglieder, Ex-Vorsitzender Spiros Simitis inklusive, befürchtet, nach der harschen Unionskritik an dem „Gremium von Schröders Gnaden“ in den vergangenen Jahren. Sie haben sich getäuscht. Die Kanzlerin überließ das Thema ihrer Forschungsministerin, und die denkt gar nicht daran, die umstrittene Beratertruppe aufzulösen. Im Unions-Fraktionsvorstand kündigte Annette Schavan (CDU) nur eine kleine Parlamentsbeteiligung an: Abgeordnete dürfen die Hälfte der Ratsmitglieder benennen und deren Expertisen anfordern.

Neun Unionsabgeordnete stimmten gegen Schavans Konzept, darunter Hubert Hüppe. Der ehemalige Vize der Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ kann und will nicht aus seiner Haut. Als „Abnickgremium“ hat er Schröders Ethikrat seinerzeit kritisiert. Insofern gefällt ihm zwar, dass Schavan nun eine gewisse demokratische Legitimierung anstrebt. Aber lieber wäre es dem CDU-Politiker, wenn auch Parlamentarier in dem Gremium sitzen dürften, wie er dem Tagesspiegel sagte.

Schavans Argument, dass diejenigen, die beraten werden sollten, nicht zugleich beraten dürften, mache „jede Enquetekommission obsolet“, sagt Hüppe. Denn genau darum geht es auch in den paritätisch mit Experten und Abgeordneten besetzten Bundestags-Gremien: sich unabhängig von Regierung und Ministerialbürokratie eine Legislaturperiode lang zu beraten und beraten zu lassen. „Es wäre besser“, so Hüppe, „wenn diejenigen, die Entscheidungen treffen, auch an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden.“

Bei der Debatte von Ethikthemen sei die Beteiligung des Parlaments „von entscheidender Bedeutung“, pflichtet ihm Rene Röspel (SPD) bei. Der frühere Chef der Enquetekommission hat es leichter, über den Gesinnungswandel der Union zu spotten. Deren Pläne als Regierungspartei entsprächen nicht gerade ihren „harsch vorgetragenen Forderungen“ aus der Zeit ohne Regierungsverantwortung.

Die Grundfragen menschlichen Lebens seien „im Parlament zu debattieren und zu entscheiden“, hatte die damalige Fraktionsvize und heutige Migrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) noch vor der Wahl gefordert. Jetzt fordern dies bislang nur Politiker aus den Fraktionen von SPD, Grünen und Linkspartei. 150 Unterschriften habe man bereits, freut sich Mitinitiator Reinhard Loske (Grüne). Die Unterzeichner wollen nicht die neuerliche Einsetzung einer Enquetekommission, sondern ein ständiges „Ethikkomitee“. Es soll je zur Hälfte aus Experten und Parlamentariern bestehen und per Geschäftsordnung installiert werden. Konkurrenz zum Ethikrat sei nicht von Schaden, sie ermögliche „spannenden Dialog“, sagt Röspel. Und an Themen mangele es wahrlich nicht: Sterbehilfe, ethische Kriterien für Leistungsvergaben und -einschränkungen im Gesundheitswesen, die immer wieder aufflammende Stammzelldebatte.

Mitte Mai schon soll im Bundestag über den Gruppenantrag abgestimmt werden. Ob Unionsabgeordnete mitmachen, ist noch ungewiss. „Wenn im Ethikrat keine Abgeordneten beteiligt würden, wäre es schon den Gedanken wert, ein eigenes Gremium zu haben“, sagt Hüppe vorsichtig. Dabei ärgert ihn am Ethikrat sogar der Name. „Kein Gremium kann beanspruchen, die Ethik der Nation bestimmen zu können – schon gar nicht, wenn Leute drinsitzen, die über ihre eigenen Forschungsinteressen entscheiden dürfen.“

Aber der Fraktion und seiner Ministerin in den Rücken fallen, „die ja immerhin ein paar Kritikpunkte aufgenommen hat“? Er warte erst mal ab, „wie sich die Diskussion entwickelt“, sagt Hüppe. Der Oppositonspolitiker Loske hingegen freut sich über den entfachten parlamentarischen Widerstand: „Der Akt der Selbstbehauptung des Bundestages gegen den bioethischen Monopolanspruch der Regierung nimmt Gestalt an.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false