zum Hauptinhalt

Politik: Schrumpfen lernen

Wie Jens Bullerjahn, neuer Chef des Ost-Forums der SPD, den Solidarpakt umgestalten will

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Der SPD-Spitzenkandidat für die Wahl in Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn, dringt auf eine neue politische Debatte über den Aufbau Ost und Veränderungen beim Solidarpakt zwischen Ost- und Westdeutschland. Die dem Solidarpakt II zu Grunde liegenden Entwicklungsannahmen „werden nicht eintreten“, warnt er. Dem anhaltend schwachen Wirtschaftswachstum, dem andauernden Bevölkerungsschwund und der Krise der öffentlichen Finanzen müsse mit neuen Konzepten begegnet werden. „Ein Weiter-so kann es nicht geben“, sagte Bullerjahn dem Tagesspiegel. Er wird am Donnerstag von SPD-Chef Matthias Platzeck den Vorsitz im SPD-Forum Ost übernehmen.

Ausdrücklich forderte Bullerjahn „alle Parteien“ auf, sich mit der Frage zu befassen, wie sich Ostdeutschland in Zukunft entwickeln werde. „Hier muss eine offene Diskussion auch zwischen Ost- und Westdeutschland geführt werden“, sagte er. „Viele Regionen im Westen werden in 10 bis 15 Jahren die aktuellen Probleme des Ostens haben“, sagte er und warnte westdeutsche Politiker, die Diskussion aus Furcht vor neuen Geldforderungen der Ostländer zu unterbinden.

Der SPD-Fraktionschef im Magdeburger Landtag, der im März 2006 CDU-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer ablösen will, tritt insbesondere dafür ein, die Fördermittel, die Westdeutschland im Rahmen des Solidarpaktes zur Verfügung stellt, anders auszugeben als heute. Statt weiter Milliardenbeträge in den Ausbau von Infrastruktur und die – im Solidarpakt eigentlich nicht vorgesehene – Finanzierung von Sonderrenten für ehemalige DDR-Funktionäre zu stecken, wirbt Bullerjahn für mehr Investitionen in Forschungseinrichtungen und Schulen. Allerdings solle das nicht flächendeckend geschehen: „Die Standorte für erfolgreiche Industrieansiedlung und Forschung sind bereits herausgebildet“, sagte er. Dort sollten Fördermittel konzentriert eingesetzt und neue Forschungseinrichtungen angesiedelt werden.

Alle anderen Regionen müssten sich dagegen wegen der abwandernden Jugend und der Überalterung mit den gesellschaftlichen Änderungen „im Schrumpfungsprozess“ auseinander setzen. Statt weiter zu hoffen, dass eines Tages auch in Randregionen Industrieunternehmen investieren, forderte Bullerjahn von der Politik, in diesen Regionen über „neue Wege“ zur Sicherung der Lebensqualität nachzudenken. Der zum Teil jetzt schon bedrohliche Mangel an medizinischer Versorgung der Bevölkerung in ländlichen Regionen des Ostens sei erst der Anfang, warnte Bullerjahn. Auch öffentliche Angebote wie der Nahverkehr würden in vielen Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte in Zukunft nicht mehr finanzierbar sein. Länder, Landkreise, Kommunen, aber auch Arbeitsagenturen und das Gesundheitssystem seien jedoch auf solche Entwicklungen überhaupt nicht eingerichtet, beklagte der SPD-Politiker. In seiner Partei will Bullerjahn in den kommenden Monaten eine Diskussion anschieben, die binnen Jahresfrist zu konkreten, auf Bundes- und Länderebene umsetzbaren Ergebnissen führen soll.

Zur Startseite