zum Hauptinhalt

Politik: „Schuldenerlass allein reicht nicht“

Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul über deutsche und internationale Hilfe

Der Kanzler hat zugesagt, sich beim G8-Gipfel für die Verdopplung der Entwicklungshilfe für Afrika bis 2010 einzusetzen. Wie will Deutschland das finanzieren?

Wir haben bereits zugesagt, über unseren Stufenplan den Anteil der Entwicklungshilfe von heute 0,28 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2015 auf 0,7 Prozent zu steigern. In diesem Rahmen wird es auch mehr Geld für Afrika geben. Außerdem wollen wir Mittel über innovative Instrumente einnehmen.

Die Abgabe auf Flugtickets?

Das scheint das Instrument zu sein, das am schnellsten eingeführt werden könnte. Frankreich bemüht sich sehr darum. Aber in der Lula-Gruppe, die der brasilianische Präsident ins Leben gerufen hat, sprechen wir auch über Instrumente wie die Tobin-Steuer auf Devisenspekulationen oder Abgaben auf öffentliche Güter wie Entgelte für die Nutzung der Luft oder des Wassers für Transportmittel.

Es gibt Experten, die bezweifeln, dass mehr Geld auch mehr hilft. Ein kenianischer Ökonom hat am Wochenende gesagt: Wenn Ihr Afrika helfen wollt, stellt die Entwicklungshilfe ein …

Diese Ökonomen ignorieren alle Fortschritte bei der Demokratisierung Afrikas. Wird das Geld für Programme zur Armutsbekämpfung investiert, an denen die Bevölkerung mitarbeiten kann, ist das sinnvoll ausgegebenes Geld. Dasselbe gilt für die Gesundheitsversorgung. Ich will mir nicht vorwerfen lassen, mich in meiner Zeit als Ministerin nicht mit aller Kraft für die Prävention und die Behandlung von Aids eingesetzt zu haben. Dafür fehlt es den meisten Staaten aber an eigenen Ressourcen.

Wie verhindern die Geber, dass das Geld in den Taschen korrupter Eliten landet?

Ja, es gibt Korruption, auch in Afrika. Aber es gibt auch viele Staaten, die sich darum bemühen, ihre Länder gut zu regieren. Korruption muss bekämpft werden. Aber ich habe immer den Eindruck, dass da ein ganz altes Bild transportiert wird aus der Zeit des Kalten Krieges, als sowohl die Sowjetunion als auch der Westen korrupte Diktatoren an der Macht gehalten haben, um die Gewichte im Ost- West-Konflikt nicht zu verschieben. Darüber sind wir inzwischen aber hinaus.

Die nigerianische Finanzministerin hat ein Abkommen mit Shell unterzeichnet, in dem sie sich verpflichtet, künftig offen zu legen, wie viel Geld Nigeria von Shell über die direkte Beteiligung, aber auch über Steuern einnimmt. Ist das ein Beispiel zur Korruptionsbekämpfung?

Wir unterstützen solche Initiativen, weil sich die Bürger so ein Bild davon machen können, wo das Geld hinfließt. Das trägt auf jeden Fall zur Demokratisierung bei. Und das kann auch ein Mittel sein, um die Korruption zu bekämpfen.

Verschwindet das Thema Afrika nach dem Gipfel wieder in der Versenkung?

Ich hoffe, dass die Aufmerksamkeit nicht einfach wieder verschwindet. Wenn sich Afrika entwickeln soll, ist es mit einem Beschluss zum Schuldenerlass für die ärmsten Staaten und etwas mehr Geld ja nicht getan. Die Live-8-Konzerte am Wochenende haben aber gezeigt, dass das Thema vor allem bei jungen Leuten einen hohen Stellenwert hat. Die werden die Industriestaaten und ihr Handeln bestimmt auch weiter beobachten.

Das Gespräch führte Dagmar Dehmer.

Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) ist seit 1998 Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false