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Beschädigt und ausgehebelt? Ein neuer Hebel soll den Euro nun retten.

© dpa

Schuldenkrise: Hebel soll die Rettung bringen

Ein Hebel soll den Euro jetzt rasch krisenfester machen. Doch das Instrument ist umstritten. Welche Wirkung könnte es entfalten?

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440 Milliarden Euro sind ein dicker Batzen Geld. Diese Summe ist bisher für den Euro-Rettungsfonds ESFS vorgesehen. Kommt es hart auf hart in der Euro-Zone und neben Griechenland, Portugal und Irland müssen auch Spanien und/oder Italien gestützt werden, reicht sie allerdings bei weitem nicht. Also wird seit Tagen über eine so genannte Hebelung, eine Stärkung der Finanzkraft des EFSF, debattiert.

Wie funktioniert der so genannte Hebel?

Der EFSF würde in diesem Fall zu einer Art Versicherung. Legen Euro-Staaten neue Anleihen auf, versichert oder garantiert dieser Fonds – analog etwa einer Teil-Kasko-Versicherung für Fahrzeug-Schäden – 20, möglicherweise auch 30 Prozent einer Anleihe. Das soll private Anleger locken. Denen würde bei einem Schuldenschnitt oder einem Zahlungsausfall die Rückzahlung dieses Anteils der investierten Summe garantiert. Gibt es also beim Land X einen Schnitt von 20 oder 30 Prozent, würde der Anleger dieses Geld vom EFSF erhalten und hätte gar keinen Ausfall. Fällt der Schnitt größer aus, wären zumindest 20 oder 30 Prozent abgedeckt.

Wie würde sich das auf die Finanzkraft des Euro-Rettungsschirms auswirken?

Über diesen Weg würde die Finanzkraft des EFSF erheblich verstärkt. Bei einer Deckung von 20 Prozent könnte mit einer Garantie von einem Euro eine Anleihe von fünf Euro finanziert werden. Willem Buiter, Chef-Volkswirt der Citigroup, hat dies für den EFSF durchgerechnet. Aufgrund der bisherigen Zusagen für Irland, Portugal und Griechenland und einem möglichen Beitrag für die Rekapitalisierung der Banken in Euroland von etwa 50 Milliarden Euro blieben dem EFSF etwa 300 Milliarden Euro, die für die Versicherungslösung eingesetzt werden könnten. Bei einer Garantie von 20 Prozent könnte damit ein Anleihevolumen von maximal 1,5 Billionen Euro gedeckt werden. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble rechnet offenbar konservativer und denkt an eine Billion. Auch deshalb, weil der EFSF möglicherweise die bisher von der EZB aufgekauften Staatsanleihen der Krisenländer im Volumen von 165 Milliarden Euro übernimmt.

Wie reagieren die Fachleute auf den Vorschlag?

Volkswirt Buiter selbst sagt zwar, damit sei der EFSF „nicht die große Bazooka, die jeder erwartet, eher eine Donnerbüchse“. Aber der Vorschlag habe einen gewissen Charme, weil er nicht von den Parlamenten abgesegnet und nichts vorfinanziert werden müsste. Auch Paul Achleitner, Finanzvorstand des Allianz-Konzerns, plädiert für die Versicherungslösung. Damit werde nur Geld genutzt, das bereits bewilligt sei. Allerdings müsste die Versicherung nach den Vorstellungen von Achleitner mit einem Selbstbehalt der privaten Investoren von zehn Prozent verbunden sein. Und die Versicherungshöhe müsse je nach Land gestaffelt werden. 20 Prozent reichten nicht immer aus. „Griechenland brauchte eher eine Deckung von rund 40 Prozent.“

Auch Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, hält den Ausbau des EFSF als Versicherung für Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten für eine „akzeptable Lösung. „Ich habe die Hoffnung, dass sich die Märkte so langfristig beruhigen lassen“, sagte der Wirtschaftsforscher am Dienstag in Berlin. Das Garantievolumen des Euro-Rettungsschirmes werde nicht erhöht, sondern bleibe gleich. Zudem verwies Hüther darauf, dass die Volatilität an den Börsen, die die Nervosität der Anleger anzeige, derzeit bei weitem noch nicht so extrem sei wie nach der Lehmann-Pleite im Herbst 2008.

Lesen Sie auf Seite zwei mehr über mögliche Alternativen und was die deutschen Politiker zum Heben-Vorschlag sagen.

Gibt es Alternativen zu diesem Plan?

Vom Tisch ist offenbar der Vorschlag, den Fonds mit einer Banklizenz auszustatten. Dies hätte ihm ermöglicht, aufgekaufte Staatsanleihen wie andere Banken auch bei der Europäischen Zentralbank (EZB) als Sicherheit für neue Kredite zu hinterlegen. Mit diesem Geld hätte der EFSF wieder Staatsanleihen kaufen können und diese wieder als Sicherheit hinterlegen können. So wäre zwar die Summe zur Stützung gefährdeter Staaten gestiegen. Aber das Risiko dafür wäre auf die EZB verlagert worden. Deshalb haben sich EZB-Präsident Jean-Claude Trichet wie auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann entschieden gegen diesen Weg gewehrt. Und sich offenbar durchgesetzt.

Was sagen die deutschen Politiker zum Hebel-Vorschlag?

Politiker verstehen von finanzpolitischen Instrumenten oft so viel, wie normale Menschen auf der Straße. Wenn sie also Ende September einem Rettungsschirm zugestimmt haben, dessen deutsche Garantiesumme 211 Milliarden Euro beträgt und jetzt in den Morgennachrichten hören, dass hier über Billionen gesprochen wird, dann fühlen sie sich zunächst überrumpelt. Denn sie fürchten, dass der EFSF die Mittel, die die Euro-Länder zur Verfügung stellen, auf wundersame Weise vermehren – und den deutschen Steuerzahlern dann eine Billionenrechnung stellen, wenn es schief geht. In den Spitzen der Koalitionsfraktionen fürchtet man seit Wochen diese Reaktionen, weshalb dort nun beteuert wird, dass man „keiner Lösung zustimmen wird, bei der der Garantierahmen von 211 Milliarden Euro ausgeweitet wird“, wie es FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagt. Diese Grenze sei „unumstößlich“.

Dennoch: Skeptiker, wie der Unionspolitiker Klaus-Peter Willsch, fühlen sich nun in ihrer Ablehnung der EFSF-Erweiterung Ende September bestätigt. „Nach der ersten Aufblähung kommt jetzt die nächste“, sagt Willsch und fürchtet, dass „sich das Rad immer weiter drehen wird“.

Welche Mitsprachemöglichkeiten haben die Parlamentarier?

Rein formal muss das Recht zum Einsatz von Hebeln in den Richtlinien des Rettungsschirms festgeschrieben werden, die derzeit erarbeitet werden. In Deutschland ist festgelegt, dass diesen Regeln der Haushaltsausschuss des Bundestages zustimmen muss, bevor sie in Kraft treten. Das soll möglichst noch in dieser Woche geschehen, nachdem die Bundestagsfraktionen darüber in Sondersitzungen beraten haben. Die SPD behält sich jedoch vor, mit der Umsetzung erneut den gesamten Bundestag und nicht nur den Haushaltsausschuss zu befassen. Denn die Sozialdemokraten fürchten, dass ein Hebel am Ende das deutsche Risiko doch erheblich ausweiten wird. (mit jum)

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