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Wer hilft wem und wie? Außenminister Westerwelle und Wirtschaftsminister Rösler denken beim Stichwort Rettungspaket möglicherweise nicht nur an Griechenland.

© dapd

Schuldenkrise in Europa: Aufgeregte Basis

Die Schuldenkrise in Europa sorgt für Streit in den Regierungen. In der FDP-Führung gilt es als sicher, dass der Mitgliederentscheid über die Euro-Rettung kommt. Eine Suche nach Auswegen.

Von Antje Sirleschtov

Die FDP steht in den Umfragen bundesweit bei gerade einmal drei Prozent. Kommendes Wochenende droht sie – nach der Niederlage in Mecklenburg-Vorpommern – auch in Berlin aus dem Abgeordnetenhaus zu fliegen. Nichts deutet darauf hin, dass sich an diesem Zustand so bald etwas ändern wird.

Nun richtet sich die Wut der Mitglieder gegen den Kurs der eigenen Parteiführung bei der Euro-Rettung. Am Freitag starteten acht Euro-Rebellen um Frank Schäffler und Burkhard Hirsch formell das Verfahren für einen Mitgliederentscheid, der den Austritt überschuldeter Euro-Staaten zum Ziel hat und sich gegen einen dauerhaften Rettungsschirm ausspricht. Am Zustandekommen des Mitgliederentscheids zweifelt niemand in der Parteiführung. Weshalb Generalsekretär Christian Lindner am Montag kurzerhand die gesamte Tagesordnung für den Parteitag am 12. und 13. November über den Haufen schmiss. Statt über Grundschulen wird nun über den Euro debattiert.

Denn die FDP-Spitze hat ein gewaltiges Problem. Während sie, wenn auch mit Bauchgrimmen, den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Stabilisierung der Euro-Zone und der Schuldenländer mitträgt, wird in ihrer Partei dagegen immer offener rebelliert. 3500 Stimmen brauchen die Kritiker des Führungskurses, um die Mitgliederbefragung offiziell zu starten. 1000 davon gingen schon in den ersten vier Tagen ein. Geht es so weiter, ist das Quorum spätestens Ende nächster Woche erreicht. Außerdem sprechen sich immer mehr Landesverbände dafür aus. Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Thüringen, Sachsen und wohl auch Berlin.

Es geht nicht nur darum, die Haftung Deutschlands für die Schulden anderer Staaten zu stoppen. Es geht, gerade in Berlin, wo in fünf Tagen gewählt wird, auch darum, die Stimmen der Menschen auf der Straße einzusammeln, welche die Hilfen an Athen kritisch sehen. Und es geht darum, ob sich die Wettbewerbspartei FDP noch zu Europa bekennt. Oder ob sie, wie es ihr Ehrenvorsitzender Hans-Dietrich Genscher fürchtet, zur nationalen politischen Bewegung mutiert.

Wie aufgeheizt die Stimmung der FDP-Mitglieder ist, wenn ihnen die Parteiführung erklärt, dass man als Teil der schwarz-gelben Regierungskoalition in der Verantwortung für die Rettung europäischer Schuldenländer wie Griechenland und der geldgebenden Banken mit deutschen Hilfen steht, das mussten der neue Parteichef Philipp Rösler und seine Mannschaft bereits Mitte Mai feststellen. Schon damals, beim Parteitag in Rostock, konnten sie nur mit Mühe eine Mehrheit verhindern, die ihnen aufgeben wollte, den schwarz-gelben Koalitionskurs nicht mitzutragen. Seither schwant der Parteiführung, dass die Kritiker in den eigenen Reihen keine Ruhe geben werden.

Immer offener argumentieren sie gegen den Kurs der eigenen Koalition. Und mehr noch: Während Kanzlerin und Finanzminister zu Geduld und Umsicht mit dem Schuldensünder Griechenland mahnen, attackieren die Liberalen den südeuropäischen Schuldenmacher immer härter. Der Bremer Landesvorstand etwa forderte am Dienstag ganz offen einen Austritt Griechenlands. Es bestünden gravierende Zweifel an den bisherigen Rettungsbemühungen der Regierung in Athen. „Wenn Griechenland die Bedingungen für die Auszahlung weiterer Hilfen nicht erfüllt, ist eine Umschuldung und ein Austritt aus der Eurozone zu erwägen“, heißt es.

Ob nun absichtlich oder nicht: Zum Aufbrechen hat ausgerechnet der Parteivorsitzende selbst den vorher mühsam unter der Decke gehaltenen Euro-Unmut der Liberalen gebracht. Als er am Wochenende in einem Zeitungsbeitrag über „Denkverbote“ und „geordnete Insolvenz“ im Zusammenhang mit Athen schrieb, galt seinen Parteifreunden das als sicheres Zeichen dafür, dass nun auch Rösler zum Euro-Rebellen geworden ist. Von einem „typischen Rösler-Fehler“ sprechen seine Kritiker nun hinter vorgehaltener Hand und werfen ihm vor, unbedacht in der Partei Erwartungen an einen Rausschmiss Griechenlands geweckt zu haben.

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