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Schuldenkrise: Wie Europa stabilisiert werden soll

Die Politik will die Märkte beruhigen und den Druck steigender Zinsen von den Schuldenländern nehmen. Wie können Europas Politiker – zumindest mittelfristig – das Vertrauen der Anleger gewinnen?

Von Antje Sirleschtov

Vertrauen heißt das entscheidende Zauberwort, wenn es um die Frage geht, auf welchem Weg die seit Monaten anhaltende Krise der Europäischen Union und ihrer Währung beendet werden kann. Denn es fehlt den Investoren an Vertrauen darauf, dass die Länder der EuroZone in Zukunft in der Lage sein werden, die Kredite zurückzuzahlen, die sie zur Staatsfinanzierung jedes Jahr aufgenommen haben und noch immer aufnehmen. Es gibt zahlreiche Vorschläge, die dieses Vertrauen schaffen sollen:

Am 21. Juli haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf einen erweiterten und mit neuen Kompetenzen ausgestatteten Rettungsschirm verständigt, der ab Oktober wirksam werden soll. Bis 2013 trägt der Schirm die Bezeichnung EFSF, danach soll er zum dauerhaften Rettungsmechanismus ESM werden. Dahinter steckt der Gedanke, einen institutionalisierten Rettungsanker zu errichten, der Euro-Ländern Zeit für Reformen verschafft, wenn sie in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Zu den Instrumenten soll auch die Möglichkeit gehören, durch den gemeinsamen Rettungsfonds Staatsanleihen aufkaufen zu lassen (so, wie es jetzt die Europäische Zentralbank tut), um die Finanzierungskosten der zahlungsschwachen Länder rasch senken zu können.

Spätestens, seit mit Italien und nun auch Frankreich große wirtschaftsstarke Länder in den Blick der Finanzmärkte geraten, stellt sich jedoch die Frage, ob (sowohl kurzfristig als auch auf längere Sicht) die jetzt geplanten Rettungsschirme überhaupt in der Lage sein werden, Krisen abzuwenden. Schließlich bliebe im Fall einer Hilfsbedürftigkeit etwa von Frankreich nur noch Deutschland als ernst zu nehmender „Netto-Helfer“ übrig - und wäre damit natürlich überfordert.

Ordnungspolitiker, vor allem Liberale und Wirtschaftspolitiker der Union, fürchten außerdem, dass das Aufkaufen von Staatsanleihen durch den Rettungsfonds starke Länder schwächen wird. Schließlich müssen sie durch ihre Beteiligung an dem Rettungsfonds die „faulen“ Anleihen quasi mitbezahlen. Anleihenkauf soll daher eine absolute Ausnahme bleiben und in jedem Einzelfall vorher einstimmig von den Euro-Ländern gebilligt werden müssen.

Im Gespräch ist zudem eine straffere Kontrolle der Wettbewerbsfähigkeit und der Staatshaushalte der Euro-Länder. Die FDP nennt das einen Stabilitätspakt II. Sie würde unabhängig vom politischen Zugriff Kriterien entwerfen, die alle Länder einhalten müssen und automatisch sanktionieren, wer dagegen verstößt. Solche automatischen Sanktionen sind allerdings mit den meisten Euro-Ländern nicht zu machen.

Viel zu zaghaft seien die Rettungsschirm-Lösungen, meinen hingegen die Verfechter grundsätzlicherer Krisenvorbeugung. Im Raum steht die Einführung von Eurobonds. Würden sich die EuroLänder darauf verständigen, mit diesen Eurobonds in Zukunft als gemeinsame starke Kraft auf den Finanzmärkten aufzutreten, könnte das Zinsen etwa für italienische oder portugiesische Anleihen verbilligen, den Ländern also das Überleben erleichtern. Ein solches Zeichen der gemeinschaftlichen Solidarität hätte jedoch für Deutschland Kosten - nämlich höhere Zinsen als bisher. Allerdings könnten die Zinsen für alle gemeinsam in dem Maß sinken, wie sich die Euro-Länder auf einen verlässlichen Katalog von Maßnahmen einigen, die für geringe Verschuldung und höhere Wettbewerbsfähigkeit sorgen.

Die Gegner von Eurobonds glauben daran aber nicht. Sie führen ins Feld, dass Länder, die keinen Zinsdruck mehr haben, auch keinen Druck mehr verspüren werden, ihren Wählern trotzdem harte Sparmaßnahmen zur Entschuldung zuzumuten.

Eine Debatte, die die Krise auf jeden Fall ausgelöst hat, ist die des wirksamsten Weges zur staatlichen Schuldenbegrenzung. Nach Deutschland erwägt nun auch Frankreich eine Schuldenbremse in die Verfassung aufzunehmen. Außerdem gibt es - vor allem deutsche - Politiker, die fordern, dass alle Euro-Länder dies tun. Ein Schritt, der zweifellos bei Finanzinvestoren für Vertrauen in die Seriosität der Haushaltsführung im Euro-Raum sorgen würde. Innenpolitisch ist das allerdings weniger einfach, als es klingt. Schließlich wäre eine solche Verpflichtung zur Schuldenbegrenzung immer mit harten Einschnitten in den nationalen Haushalten - unangenehmen Eingriffen also, die Regierungen gern vermeiden - verbunden. Und zwingen kann man niemanden.

Ohnehin steht mit der vereinbarten Reform der europäischen Institutionen auch die Frage der Eigenständigkeit der Euroländer bald wieder auf der Tagesordnung. Seit längerem wird bereits über gemeinsame Wirtschaftsregierungen oder auch einen gemeinsamen Finanzminister debattiert. Beides allerdings wären Einrichtungen, die im Zweifel mit geringen Kompetenzen ausgestattet blieben, wenn sie nicht in einen Prozess des politischen Zusammenwachsens der Europäischen Union eingebettet wären. Solch ein Zusammenwachsen in Richtung Bundesstaat jedoch ist derzeit kaum vorstellbar, geschweige denn mehrheitsfähig. Es wird also wohl auf absehbare Zeit bei der gegenwärtigen Kompetenzverteilung bleiben, die jedem Mitgliedsstaat eine hohe Autonomie in der Gestaltung der eigenen Wirtschafts- und Haushaltspolitik zusichert.

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