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Politik: Schuss in den Rücken

Frankreich will eine Kriegs-Resolution verhindern – und befürchtet doch großen politischen Schaden durch ein Veto

IRAK – ZWISCHEN KRIEG UND FRIEDEN

Veto ja oder nein? Das ist nun die wichtigste Frage in der Irak-Krise, die Frankreich kurz vor der Vorlage des zweiten Blix-Berichts auf den Nägeln brennt. Staatspräsident Jacques Chirac und sein Außenminister Dominique de Villepin stehen kurz vor der alles entscheidenden Sitzung des UN-Sicherheitsrates unter starkem Druck. Legen sie ein Veto ein, wären die Beziehungen zwischen Frankreich und den USA möglicherweise langfristig beschädigt, genauso wie die Beziehungen zu den Bush-treuen Europäern Spanien und Großbritannien und den pro-amerikanischen osteuropäischen EU-Kandidatenländern. Lenkt Chirac in der Irak-Frage ein, „um den Amerikanern keine Kugel in den Rücken zu schießen", wie Außenminister Villepin der Wochenzeitung „Le Canard Enchainé“ gesagt haben soll – würde Frankreich weltweit an Glaubwürdigkeit verlieren, seinen engen Partner Deutschland brüskieren und die traditionell freundschaftlichen Beziehungen zur arabischen Welt aufs Spiel setzen. Außerdem sind 70 Prozent der Franzosen laut jüngsten Umfragen dafür, dass Frankreich in der Kriegsfrage von seinem Vetorecht Gebrauch macht. Auf den Fluren des französischen Außenministeriums und in der Öffentlichkeit wird das Wort „Veto“ peinlichst vermieden.

Stattdessen heißt es nach dem Treffen der drei Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Russlands, die Länder würden „keine Resolution durchgehen lassen, die einen Einsatz von Gewalt rechtfertigen würde“. Frankreich und Russland, beides Veto-Mächte, würden im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu ihrer Verantwortung stehen. Frankreichs Diplomaten lassen zudem verlauten, die Diskussion um den Einsatz des Vetorechts sei verfrüht, weil noch nicht einmal sicher sei, ob die USA ihren zweiten, von Großbritannien und Spanien unterstützten Resolutionsentwurf einbringen werden. Außerdem seien zehn bis elf der 15 Mitglieder gegen den Entwurf.

In diesem Sinne berichtet „Le Canard Enchainé“ über ein „kleines“ parteiinternes Treffen von Staatspräsident Chirac und seinen engsten Weggefährten: Die Anwendung des Vetorechts sei sinnlos, weil es US-Präsident Bush an einem militärischen Angriff sowieso nicht hindern würde. „Frankreich wird alles tun, um einen Krieg zu vermeiden, aber Bush ist in seiner Kriegslogik nicht zu bremsen“, zitierte die Zeitung Chirac, nicht ohne ein Zitat von Alain Juppé hinzuzufügen, dem Chef der Chirac-Partei UMP, wonach die Konsequenzen eines französischen Vetos „Frankreich extrem schaden würden“.

Erwähnt wird in diesem Zusammenhang immer wieder, dass Frankreich gegenüber den USA von seinem Vetorecht bislang nur ein einziges Mal Gebrauch gemacht habe, gemeinsam mit Großbritannien in der Suezkrise 1956. Wachsende Bedenken gibt es mittlerweile bei immer mehr UMP-Abgeordneten, denen vor allem nicht gefällt, dass Chirac im Irak inzwischen zum „Anti-Bush-Helden“ geworden ist und als Kriegsgegner gefeiert wird. „Die Amerikaner sind nicht unsere Feinde und Saddam Hussein ist kein Pazifist, sondern ein Tyrann, der keinerlei Unterstützung verdient.“

Sabine Heimgärtner[Paris]

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