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Schutzbedürftig: Greenpeace klagt gegen Akw Krümmel

Greenpeace klagt auf Stilllegung des Atomkraftwerks Krümmel, weil es Terroranschlägen nicht gewachsen wäre – der Bund hält das Risiko hingegen für vertretbar.

Wenn es um das Risiko terroristischer Angriffe auf Atomkraftwerke geht, werden Bundesregierungen immer schweigsam. Gutachten, die nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 erstellt worden sind, sind bis heute unter Verschluss, weil man Terroristen keine Gebrauchsanleitung geben wollte. Bis 2006 galt die Vernebelung von Atomkraftwerken bis zum Eintreffen der Luftwaffe als ausreichender Schutz. Doch dann entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der Abschuss von entführten Passagiermaschinen gegen das Grundgesetz verstößt. Damit ist das Vernebelungskonzept hinfällig.

Das sah bis vor kurzem auch der Bundesumweltminister so. Norbert Röttgen (CDU) wollte im Zuge der Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke auch einen baulichen Schutz gegen terroristische Angriffe zumindest mit kleineren Passagierflugzeugen durchsetzen. Doch mit der Atomeinigung zwischen der Bundesregierung und den vier großen Energiekonzernen ist dieser Plan wohl vom Tisch. Denn für eine halbe Milliarde Euro pro Anlage lässt sich eine Verstärkung der Außenhaut der Meiler nicht umsetzen. Bestünde Röttgen auf dieser Vorgabe, könnten die Konzerne ihre Zahlungen für den Öko- Energiefonds entsprechend kürzen.

Nun sieht es aber nach Informationen der Umweltorganisationen Greenpeace und Deutsche Umwelthilfe (DUH) sogar so aus, dass die individuelle Klagemöglichkeit für Anwohner auf Vorsorge gegen Terrorangriffe aus dem Atomrecht gestrichen werden könnte. Erst 2008 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einer Entscheidung über das Zwischenlager Brunsbüttel entschieden, dass Terrorangriffe nicht dem allgemeinen Restrisiko zuzuordnen seien, das jeder hinnehmen muss. Offenbar will die Regierung dieses Terrorrisiko wieder zum „Restrisiko“ definieren, obwohl sich die Leipziger Richter mit ihrer Entscheidung direkt auf das Grundgesetz berufen hatten.

Auf der Basis der Leipziger Entscheidung hat Greenpeace nun gemeinsam mit drei Anwohnern beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Schleswig eine Untätigkeitsklage gegen das Justizministerium eingereicht, das in Schleswig-Holstein für die Atomaufsicht zuständig ist. Konkret wollen die Kläger erreichen, dass die Betreiberlizenz für das Atomkraftwerk Krümmel widerrufen wird. Der Reaktor steht seit Ende Juni 2007 mit einer zweiwöchigen Ausnahme wegen gravierenden Probleme mit Transformatoren still und soll nach dem Willen des Energiekonzerns Vattenfall Anfang 2011 wieder ans Netz gehen. Der parteilose schleswig-holsteinische Justizminister Emil Schmalfuß bestätigte die Einreichung der Klage. Nach Angaben des Kieler Justizministeriums hatte die Atomaufsicht des Landes bereits Ende 2008 „diverse“ Anträge auf Widerruf der Betriebserlaubnis für die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel abgelehnt, die mit der Gefahr eines Flugzeugabsturzes begründet worden waren. Schmalfuß teilte mit, dass bislang noch kein Antrag auf Wiederinbetriebnahme des Reaktors Krümmel eingegangen sei. Zudem werde derzeit noch die Zuverlässigkeit des Betreibers geprüft. Den Vorwurf der Verzögerung wies das Ministerium zurück. Die Prüfung des „technischen Zustands“ von Krümmel sei derzeit ebenfalls noch nicht abgeschlossen.

Schmalfuß hatte sich Anfang des Monats bereits für umfassende Nachrüstungen bei Altanlagen stark gemacht. Er sagt: „Die Ertüchtigung der Reaktoren gegen terroristische Bedrohungen ist überfällig.“ Eine Vernebelung als Schutzmaßnahme sei nicht mehr ausreichend, es müsse vielmehr ein baulicher Schutz durch physische Mindeststandards erfolgen. Greenpeace spricht in diesem Zusammenhang auch nicht nur von potenziellen Gefahren aus der Luft, sondern hält auch einen Beschuss durch tragbare konventionelle Waffen für ein mögliches Risiko.

Die verantwortlichen Behörden hüllen sich zu diesem gesamten Thema in Schweigen. Dass eine Anschlagsgefahr nicht ausgeschlossen ist, beweisen Beobachtungen einer Krümmel-Anwohnerin. Sie hat erst Jahre später Atomkraftgegner darüber informiert, dass ihr kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auffällig gekleidete Männer mit einem Fahrzeug vor dem Werkszaun des Akw aufgefallen waren, die Filmaufnahmen der Anlage machten. Die Polizei vor Ort bestätigte diese Aussage. Nach einer unmittelbaren Fahndung nach besagtem Fahrzeug wurde dieses auf dem Hamburger Flughafen wiedergefunden. Einer von drei Insassen des Autos saß zu dem Zeitpunkt bereits in einem Flugzeug mit Ziel in einem arabischen Land, die beiden anderen Personen sollen sich dem Vernehmen nach im Umfeld der Hamburger „Terror-Schläfer“ bewegt haben. Die Polizei fand demnach tatsächlich die Filmkamera und entdeckte darauf Außenaufnahmen des Akw Krümmel. Das Justizministerium in Kiel weiß nach eigenen Angaben nichts über den Vorgang.

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