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Philipp Rösler, Horst Seehofer und Angela Merkel

© dapd

Schwarz-Gelb: Gipfeltreffen versucht Koalitionsstreit zu befrieden

Merkel, Rösler und Seehofer haben versucht, die Streitfragen der Koalition zu klären. Ist ihnen das gelungen?

Von Robert Birnbaum

Hermann Gröhe hängt die Erwartungen an den Koalitionsgipfel ziemlich tief: „Ich rechne nicht damit, dass es bei Einzelpunkten zu einer Verabredung kommt“, sagt der CDU-Generalsekretär. Gröhe ist an diesem Montag nicht der Einzige, der das Dreier-Treffen zwischen den Parteichefs Angela Merkel, Horst Seehofer und Philipp Rösler in seiner konkreten Bedeutung relativieren will. Auch der FDP-Kollege Patrick Döring wiegelt ab: Keine Beschlüsse über die offenen Sachfragen werde es geben, kein „kleines Karo“, wie das Döring nennt, nein, „lange Linien“ und die „große Richtung“ stünden im Kanzleramt zu besprechen an. Man sieht sie bei solchen Worten vor sich, die drei Parteigewaltigen, wie sie im Kanzleramt über politische Generalstabskarten gebeugt den Kurs abstecken. Es gibt dabei nur ein Problem: Das, was CDU, CSU und FDP seit Monaten schon wieder als Zankverein ohne gemeinsame Richtung dastehen lässt, ist allesamt ganz kleines Karo.

Wo liegen die Probleme?

Wie klein die Kästchen sind, wird ausgerechnet am ersten Erfolg dieses Treffens deutlich. Noch bevor sich die Parteichefs zusammensetzen, vermeldet Döring einen Durchbruch: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hätten sich jetzt grundsätzlich darauf verständigt, dass die Pflegevorsorge von Privatversicherten vom Staat stärker als bisher gefördert wird. Die Details sollten bis zur Kabinettssitzung am Mittwoch stehen. Und dann, sagt Döring, „wird es sicher möglich sein, auch einen Kabinettsbeschluss zum Betreuungsgeld herzustellen“.

Das klingt wie ein Friedenssignal. Tatsächlich zeigt es vor allem auf, wie weit der innerkoalitionäre Kriegszustand gediehen war. Schließlich hatte Schwarz- Gelb beide Maßnahmen, Pflegeplus wie Betreuungsgeld, schon im November letzten Jahres im großen Koalitionsausschuss schriftlich vereinbart.

Nun kann es sicherlich passieren, dass es sich erst im Kleingedruckten zeigt, wenn solch eine Absprache nicht ganz einfach umzusetzen ist. Doch wenn Döring erklärt, für die FDP stehe „Vertragstreue im Mittelpunkt der künftigen Zusammenarbeit“, dann offenbart das nur, wie schlecht es um diese Selbstverständlichkeit bisher bestellt war. Unwillen und Misstrauen haben System. CSU-Spitzenleute berichten, dass es in ihrer Parteiführung wirklich die Sorge gab, dass die CDU angesichts massiver Widerstände aus den eigenen Reihen das Betreuungsgeld fallen lassen wollte. Im Streit um die Vorratsdatenspeicherung ignoriert die FDP-Justizministerin Appelle der Kanzlerin zur Verständigung genauso wie Drohungen der EU-Kommission mit Zwangsgeldern. Selbst bei einem vergleichsweise unstrittigen Thema wie dem Kurs der Euro-Rettung böllert öfter einmal einer aus Bayern dazwischen mit kaum verhüllten „Griechen raus“-Parolen.

Noch deutlicher zeigt sich der Mangel an gemeinsamen „langen Linien“, wenn es um zukünftige Vorhaben geht. Viel Zeit bleibt dafür ja ohnehin nicht mehr. In vier Wochen geht der Bundestag in die Sommerferien; danach bleiben bis Weihnachten noch acht Sitzungswochen. Der Rest der Legislaturperiode versinkt absehbar im Wahlkampf-Getümmel – erst für Niedersachsen, das Ende Januar wählt, dann für Bayern und den Bund.

Tatsächlich hat der Vorwahlkampf bereits angefangen. Wenn es keine Verständigung mit der FDP beim Thema Mindestlohn gebe, hat CDU-General Gröhe am Montag bekräftigt, dann werde die Union ihre Forderung noch einer tariflichen Lohnuntergrenze in den Wahlkampf tragen. Auch FDP-General Döring fällt auf Anhieb Trennendes ein: Wenn die Union eine „Mindestlohn-Maut-Frauenquoten-Politik“ wolle, sagt er der „Welt“, könne sie im Wahlkampf dafür werben.

Als sich die drei Parteichefs am Mittag im Kanzleramt trafen, war denn auch recht schnell klar: Röslers FDP ist für alles, was sie als Linksentwicklung der Union brandmarkt, nicht zu haben. Dafür drängt der FDP-Chef darauf, früher als bisher geplant einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen – bereits 2014 und nicht 2016 solle der Bund ohne neue Schulden auskommen. Damit wären dann allerdings wohl auch keine Überlegungen in der CDU mehr zu finanzieren, die internen Kritiker des Betreuungsgelds mit besseren Rentenanwartschaften für Mütter zu beruhigen. Auch für mehr Geld für Deutschlands Straßen bliebe da kein Raum. Entsprechend reserviert reagierten Merkel und Seehofer. Nicht zustimmen wollten sie umgekehrt der Forderung Röslers, die Praxisgebühr wieder abzuschaffen. Das kleine Karo bleibt also bestehen – hier die gelben Kästchen, dort die schwarzen.

Was wurde erreicht?

Immerhin kann Merkel Rückendeckung ihrer Regierungspartner mit in die nächsten Euro-Verhandlungsrunden nehmen: Dass die Kanzlerin sich dagegen sperrt, den Euro-Rettungsfonds für Banken direkt zu öffnen, statt Hilfen nur an kriselnde Länder zu vergeben, fanden auch CSU und FDP gut. Schließlich, heißt es von allen Seiten, könnten nur so die Krisenstaaten weiter zu schmerzhaften Reformen angehalten werden.

Und in noch einem Punkt wird nach dem Treffen Einigkeit vermeldet: Man wolle 2013 beim Wähler für eine Fortsetzung dieser Koalition werben. Besonders Merkel war an dieser Festlegung gelegen. Die CDU-Chefin ist nicht scharf auf einen Wahlkampf, in dem ihr als einzig plausible Koalitionsoption das Bündnis mit der SPD verbleiben würde. Welches Zukunftsversprechen die Wähler mit einem erneuten Bürger-Bund verbinden sollen, ist aber weiterhin unklar. „Ich fahre mit dem guten Gefühl zurück nach München, dass diese Regierungskoalition die wichtigen politischen Aufgaben nationale wie international anpacken will und lösen kann“, lässt sich Seehofer nach dem Treffen zitieren. In diesem „will“ und „kann“ steckt reichlich Prinzip Hoffnung.

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