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Schwarz-Gelb: Norbert Lammerts Kritik trifft die FDP

Die Kritik des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert an der Koalition gefällt Grünen und Linken –  Vizekanzler Guido Westerwelle jedoch ist indigniert.

Berlin - Die ihn kennen, sind sich in einem Punkt ganz sicher: Norbert Lammert ist kein Sponti. Wenn sich der Bundestagspräsident mit dem CDU-Parteibuch öffentlich zu Wort meldet, dann geschieht dies nur nach gründlicher Überlegung. Lammert weiß, was er sagen will. Oder er schweigt.

Um einen Ausrutscher, eine Übertreibung im Eifer des Gefechts kann es sich bei den Äußerungen des Parlamentspräsidenten am Wochenende im Interview mit dem „Deutschlandfunk“ also nicht gehandelt haben. Ganz grundsätzlich ging Lammert in der Sendung mit dem Erscheinungsbild des schwarz-gelben Regierungsbündnisses ins Gericht, das sich seit Wochen in Streitigkeiten über die Finanz- und Steuerpolitik ergeht. Die Regierungsparteien verbinde bestenfalls der Ehrgeiz, „ihre jeweiligen Steckenpferde in Stellung zu bringen“, kritisierte er und knöpfte sich dann das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz und die Mehrwersteuersenkung für Hoteliers vor. Manche Regelungen seien „schlicht misslungen“. Setzen, Sechs.

Parteifreunde, Politikwissenschaftler und Kommentatoren spekulieren seither darüber, was den bedächtigen Präsidenten antreibt. Der Göttinger Parteienforscher Peter Lösche glaubt, dem Bundestagspräsidenten sei es auch um persönliche Profilierung gegangen: „Lammert, den kaum jemand kennt, nutzt die Gelegenheit, sich bekannter zu machen“, sagte Lösche dem Tagesspiegel.

In Unionskreisen hieß es hingegen, Lammerts Fundamentalkritik sei als Weckruf an die Koalitionäre zu verstehen, als Mahnung, die Partikularinteressen endlich hinter dem gemeinsamen Ziel zurückzustellen. Von persönlichen Motiven würde sich der Präsident dabei nicht leiten lassen, wohl aber von der Überzeugung, dass die Fraktionen von Union und FDP nicht zum Appendix der Regierung werden dürften. Auch begreife sich Lammert keineswegs als Gegenspieler von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Getroffen hat Lammerts Kritik offenbar vor allem die FDP. Guido Westerwelle trat persönlich in Aktion, streifte den Dreiteiler des Diplomaten ab und zog den Kampfanzug des Parteipolitikers über. Von 27 EU-Ländern hätten 22 den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Hotellerie und Gastronomie schon eingeführt, sagte der FDP-Chef. „Wenn es um die Stärkung des deutschen Mittelstandes, beispielsweise in der Tourismuswirtschaft geht, greift der Bundestagspräsident mit Fortissimo in die Tasten der Kritik. Als es um die Steuermilliarden der großen Koalition für den amerikanischen Automobilkonzern General Motors ging, war bei ihm piano angesagt“, kritisierte Westerwelle.

Unterstützung erfährt Lammert hingegen von den Bundestagsvizepräsidentinnen Katrin Göring-Eckardt (Grünen) und Petra Pau (Linke), die dem Christdemokraten am Dienstag ihren Respekt bekundeten. „Es kann der demokratischen Kultur in unserem Land nur gut tun, dass der zweite Mann im Staat ausspricht, was viele innerhalb und außerhalb der schwarz-gelben Koalition denken“, sagte Göring-Eckardt dem Tagesspiegel. Die Kritik des Bundestagspräsidenten an Teilen des Wachtsumsbeschleunigungsgesetz der Bundesregierung werde von vielen Menschen in Deutschland geteilt. Auch Unions- und FDP-Anhänger könnten die „völlig verrückte Senkung des Mehrwertsteuersatzen von 19 auf sieben Prozent für Hoteliers nicht verstehen“.

Göring-Eckardts Amtskollegin Petra Pau von der Linkspartei sagte, sie schätze es sehr, „dass Norbert Lammert Fehlentwicklungen deutlich macht, auch wenn sie die eigene Partei und Regierung betreffen“.

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