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Update

Schwarz-Rot drückt Ökostromreform durch: Was sich mit der EEG-Novelle ändert

Die große Koalition hat ihre Ökostromreform trotz heftiger Kritik durchs Parlament gebracht. Womit müssen Verbraucher und Industrie rechnen?

Das Gesellenstück von Vizekanzler und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) hat den Bundestag passiert. Aber ob die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wirklich am 1. August in Kraft treten wird, entscheidet sich in den kommenden vier Wochen in Brüssel. Am 11. Juli befasst sich der Bundesrat mit dem Gesetz. Allerdings wird nicht erwartet, dass die Länderkammer es über ein Vermittlungsverfahren noch ausbremsen wird. Aber weil große Teile der Industrie von der Finanzierung der erneuerbaren Energien ausgenommen ist, muss das Gesetz von der Kommission der Europäischen Union als Beihilfe gebilligt werden.

Wie ist die Abstimmung verlaufen?

Der Bundestag hat am Freitag mit 454 Ja-Stimmen die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) gebilligt. 123 Abgeordnete stimmten dagegen, darunter Marco Bülow als einziger Sozialdemokrat. Auf der Unionsseite verweigerten der CSU-Energieexperte Joseph Göppel, der Agrarpolitiker Hans-Georg von der Marwitz (CDU) aus Brandenburg und der ehemalige Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) sowie zehn weitere Abgeordnete ihre Zustimmung. Grüne und Linke stimmten geschlossen gegen das EEG. Die Regierung verspricht sich von der Reform eine Stabilisierung der EEG-Umlage und damit der Strompreise. Ob die Reform Bestand hat, wird sich schon am kommenden Dienstag zeigen. Dann entscheidet der Europäische Gerichtshof anhand eines schwedischen Falles, ob auch Anbieter aus dem Ausland Anspruch auf Fördergelder haben.

Was ändert sich für die Haushalte?

Wenn die Stromkunden einen Haushaltsstromtarif beziehen, ändert sich relativ wenig. Die Bundesregierung rechnet in ihren Modellrechnungen damit, dass die EEG-Umlage je nach Höhe des Börsenstrompreises bis 2017 in etwa gleich bleiben wird. Derzeit zahlen Haushaltskunden pro Kilowattstunde Strom 6,24 Cent EEG-Umlage. Die EEG-Novelle ändert daran nichts. Aber die Regierung hofft, dass die Umlage nur noch leicht steigen wird. Das wäre aber, rechnet der Energiewende-Thinktank Agora vor, auch ohne die EEG-Novelle passiert. Die Fördersätze für Solarstrom sind seit der EEG-Novelle 2012 deutlich gefallen – um rund 25 Prozentpunkte. Die Solarstromkosten hatten einen starken Anteil daran, dass die Umlage von 3,5 Cent 2011 auf 6,24 Cent 2014 gestiegen ist. Der andere große Faktor ist der Börsenstrompreis, der wegen eines Überangebots an Kohlestrom seit Jahren dramatisch sinkt. Die EEG-Umlage errechnet sich aber aus der Differenz des Börsenstrompreises zur für 20 Jahre garantierten Einspeisevergütung für erneuerbar erzeugten Strom.

Bliebe die „zum Teil massive Überförderung“ beim Windstrom an Land, den Sigmar Gabriel in der Bundestagsdebatte am Freitag kritisierte. Die ist nun beendet. Sie war aber nicht ansatzweise so kostspielig wie der massive Solarstromausbau der Jahre 2010 bis 2012, in denen jeweils rund 7500 Megawatt Solarstromleistung zu hohen Vergütungssätzen dazu gekommen sind. Übrigens ein echtes Politikversagen, weil Bundestag und Bundesrat in einer Phase niedriger Zinsen nach der Finanzkrise drei Jahre brauchten, um die zu hohen Fördersätze für Solarstrom anzupassen, obwohl die Preise für die Anlagen gleichzeitig dramatisch sanken.

Die Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert, dass die Verbraucher belastet und die Industrie entlastet wird, weil die Industrierabatte von rund fünf Milliarden Euro im Jahr weiterhin gewährt werden.

Was ändert sich für die Branche der erneuerbaren Energien?

Der Ausbau von  Windrädern an Land wird auf 2500 Megawatt Leistung im Jahr begrenzt. Die selbe Ausbaumenge wird Solarstrom zugebilligt. Die relativ teuren Windräder auf See sollen bis 2020 eine Leistung von rund 6500 Megawatt erreichen. Die ambitionierteren Ausbaupläne waren allerdings ohnehin unrealistisch. Die EEG-Novelle passt das Ausbauziel nun der Realität an. Der Ausbau von Biogasanlagen dagegen wird stark begrenzt. Es sollen jährlich nur noch 100 Megawatt Biomassestrom aus vergorenen Reststoffen dazu kommen. So soll die viel beklagte „Vermaisung“ der Landschaft beendet werden. Außerdem ist Strom aus Biogas teurer als Solar- und Landwindstrom.

Die Verbände der Erneuerbaren-Branche sehen in der EEG-Novelle einen Generalangriff auf ihr Geschäftsmodell. Der CSU-Energieexperte Joseph Göppel ärgert sich besonders darüber, dass das Strompreisparadox – erneuerbare Energien senken den Börsenstrompreis und treiben damit die EEG-Umlage in die Höhe – durch die neuen Regeln zur sogenannten Direktvermarktung nicht behoben werden. Im Gegenteil würden sogar regionale Vermarktungsmodelle unmöglich gemacht, weil die Eigenstromerzeugung und erzeugungsnahe Vermarktung erschwert werde. Dafür wird künftig nämlich eine Abgabe von 40 Prozent der EEG-Umlage fällig.

Die Branche sieht darin eine „Sonnensteuer“. Gabriel hält die Abgabe für einen Beitrag zur Verteilungsgerechtigkeit, weil sich über die Eigenstromregeln immer mehr Gewerbekunden und Privatleute aus dem System verabschiedeten. Dieser Gerechtigkeitslücke fällt nun auch ein Vermarktungsmodell zum Opfer, das die Ungerechtigkeit zwischen Eigenheimbesitzern und ihren Solaranlagen, die von der EEG-Umlage freigestellt bleiben, und Mietern, die vom billigen Solarstrom vom Dach nicht profitieren konnten, hätte aufheben sollen. Der Ökostromhändler Lichtblick hat in Berlin-Hellersdorf ein Modell ausprobiert, das Mietern einer Wohnanlage den auf dem eigenen Dach erzeugten Solarstrom günstig anbot. Doch dieser Preisvorteil hat sich erledigt, wenn darauf die EEG-Umlage erhoben wird.

Was ändert sich für die Wirtschaft?

Die Industrierabatte bleiben weitgehend erhalten. Mit der Recyclingwirtschaft kommt sogar eine neue Branche dazu, die sich am Freitag artig bedankte. Einige wenige Unternehmen fallen aus dieser Subvention heraus. Auch das Eigenstromprivileg für bestehende Kraftwerke der Industrie bleibt zunächst erhalten. Das hat die EU-Kommission allerdings nur bis Ende 2016 genehmigt, weshalb die energieintensive Industrie und der BDI am Freitag verlangten, dass diese Besserstellung dauerhaft erhalten bleiben müsse.

Was droht noch aus Brüssel?

Am Dienstag entscheidet der Europäische Gerichtshof über die Klage eines Windstromproduzenten, der auf den finnischen Aaland-Inseln nahe Schweden eine Anlage errichtet hat und von Schweden dafür eine Grünstromförderung kassieren will. Der Generalstaatsanwalt hält das Anliegen für richtig. Sollte das Gericht dem zustimmen, wäre das deutsche EEG ebenso erledigt wie alle anderen europäischen Fördersysteme. Denn wenn sich die Grünstromer in Europa die für sie günstigsten Förderbedingungen aussuchen könnten, müssten deutsche Haushaltskunden den Solarstromausbau auf griechischen Inseln finanzieren. EU- Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia argumentierte diese Woche ähnlich. Er sieht in der EEG-Umlage auf importiertem Grünstrom eine „zollähnliche Abgabe“. Den Kampf will Gabriel ausfechten, sagte er am Freitag im Bundestag.

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