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Politik: Schwarz und Rot wie Ebbe und Flut - Für Schleswig-Holstein bedeutet die Wahl einen verzögerten Wechsel (Kommentar)

Zum Schluss hat sogar Björn Engholm wieder Wahlkampf gemacht. Der einstmalige Ministerpräsident und Kanzlerkandidat, zurückgetreten wegen einer Lüge im Zusammenhang mit der bis vor kurzem schlimmsten Skandalgeschichte in Deutschland: "Waterkantgate".

Zum Schluss hat sogar Björn Engholm wieder Wahlkampf gemacht. Der einstmalige Ministerpräsident und Kanzlerkandidat, zurückgetreten wegen einer Lüge im Zusammenhang mit der bis vor kurzem schlimmsten Skandalgeschichte in Deutschland: "Waterkantgate". Der Mann, der bei Amtsübernahme als SPD-Vorsitzender den schönen programmatischen Satz prägte: "Wat mutt, dat mutt."

Engholm, der große Sanfte, der Schöngeist, der so untypisch schien für Schleswig-Holstein, mit dem das Land aber wieder einen Aufschwung nahm. Und sie haben ihm bei seiner kurzen Rückkehr in die Politik zugejubelt, jedenfalls nach schleswig-holsteinischen Maßstäben, was wohl auch damit zu tun hat, dass die CDU den Maßstab für das, was ein Skandal ist, schon wieder neu gesetzt hat.

Das Land zwischen Nord- und Ostsee, zwischen Dänemark und Hamburg, galt jahrzehntelang als konservativ. Ständig regierten sie: Friedrich Wilhelm Lübke, Kai-Uwe von Hassel, Helmut Lemke und vor allem Gerhard Stoltenberg, der "große Klare". In so einem Land konnte ein Jochen Steffen, der "Rote Jochen", der die schönen Mundart-Bücher über den einfachen "Kuddl Schnööf" schrieb und nebenbei bilderbuchlinke SPD-Politik machte, Stoltenberg das Wasser nicht reichen.

Erst Björn Engholm schaffte es an die Spitze, nach der Barschel-Pfeiffer-Affäre. Danach kam die schon von Engholm als Finanzministerin aus Bonn geholte Heide Simonis an die Macht. Die erste Frau im Amt als eine bundesdeutsche Regierungschefin, und sie wurde wiedergewählt. Das Wirtschaftswachstum im Land zwischen Fisch und Chips liegt am Ende ihrer zweiten Legislaturperiode bei zwei stolzen Prozent: Das ist Spitze, noch vor den Bayern.

Wenn da nicht die Probleme in der Bildungspolitik wären, die hohe Arbeitslosigkeit, die großen Lücken in der Verkehrsinfrastruktur. Die A 7 von Hamburg nach Flensburg leidet ständig unter Staus, der Weiterbau der Ostseeautobahn A 20 zur Elbe hin kommt nicht voran, die A 1 über den Fehmarnsund nach Dänemark ist auch umstritten, das Schienennetz ist mangelhaft. Ob demnächst für den "Transrapid" vorgesehene Gelder umgewidmet werden können, ist eine der landespolitisch wichtigen Fragen.

Simonis vorn, "volle Kraft für unser Land", das hat sie ihren Wählern versprochen. Kein Wort mehr davon, dass auch sie ein Import war, so wie jetzt Volker Rühe, der Harburger, einer ist. Sie ist im Land angekommen. Das Land hat damit viel Erfahrung: Der Südschleswigsche Wählerverband SSW, die dänische Minderheit, ist von großer Bedeutung für die Mehrheit. Der "Bund der Heimatentrechteten und Vertriebenen", die so genannte "Flüchtlingspartei", nicht mehr. Diese Partei war 1950 zweitstärkste Kraft im Landtag; sie ging dann auf in der CDU. Und die wollte Rühe wieder nach vorn bringen. Rühe, der ganz zum Schluss im Wahlkampf ein langes, detailliertes "Regierungsprogramm" vorgelegt hat, von dem er hoffte, dass es in diesem Land ankommt: Es klingt so furchtbar konservativ wie in den 50ern, mit seinen markigen Aussagen zur Bildungspolitik, zur Arbeitslosigkeit, zur Verkehrsinfrastruktur.

Rühe vorn: Bei 47 Prozent lag er zwischenzeitlich in den Umfragen, fast so hoch wie weiland Stoltenberg, der an der Förde anfangs allein regieren konnte. Schleswig-Holstein schickte sich an, wieder schwarz zu wählen. Demokratie ist Wechsel: erst schwarz, dann rot, dann wieder schwarz. Wenn da nicht die CDU mit ihrem Spendensumpf gewesen wäre; und die Frage, ob Rühe auch der sein soll, der in der Bundes-CDU regiert. Der Skandal war offenbar stärker als das Bedürfnis der Schleswig-Holsteiner nach Wechsel. Sie haben als Bundesbürger richtig entschieden und als Landesbürger womöglich gegen ihre Interessen. Nun kann Rot in Schleswig-Holstein zur dauerhaft bestimmenden Farbe werden: Am Ende der kommenden Legislaturperiode wären es 17 Jahre. Dabei sind 16 doch schon zu viel, wie wir gelernt haben.

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