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Politik: Schwarze Kassen düstere Absichten (Leitartikel)

Eine Tragödie nimmt ihren Lauf, so oder so. Zuerst die menschliche: Walther Leisler Kiep, den sie einen Herren nennen, einen Grandseigneur, der nach all den Jahren, die ihm die Parteispenden-Affäre anhing, doch so gerne Saubermann wäre - er findet sich im Schmutz wieder.

Eine Tragödie nimmt ihren Lauf, so oder so. Zuerst die menschliche: Walther Leisler Kiep, den sie einen Herren nennen, einen Grandseigneur, der nach all den Jahren, die ihm die Parteispenden-Affäre anhing, doch so gerne Saubermann wäre - er findet sich im Schmutz wieder. Hat Kiep Spendengeld veruntreut? Hat er darüber die Unwahrheit gesagt? Hat er für Geld seinen politischen Einfluss genutzt, dass die Bundesregierung einem Panzer-Deal zustimmt? Hat er Geld aus dem "Millionenkoffer" eines Waffenhändlers genommen, um seinen Anwalt in der Parteispenden-Affäre zu bezahlen?

Das alles scheint nicht länger absurd zu sein. Genau deshalb bleibt keine Wahl mehr. Jetzt muss mit vereinten Kräften aufgeklärt werden, von den Staatsanwälten in Augsburg, im Parlament in Berlin. So viel hängt am Ergebnis: der Ruf des Menschen und Politikers Kiep; der Ruf der CDU, für die er mehr als zwei Jahrzehnte die Kasse verwaltete; der Ruf der Bundesregierungen unter dem ehemaligen CDU-Chef Helmut Kohl. Und ein wenig auch der Ruf unserer Republik. Könnte bewiesen werden, dass Entscheidungen der hohen Politik käuflich sind, wäre das nicht nur tragisch für Kiep. Oder beträchtlicher Schaden für das Ansehen Kohls. Die Fakten summierten sich vielmehr zur Staatsaffäre.

Schwarze Kassen, schmutzige Geschäfte, düstere Absichten - schon jetzt gibt es genug Stoff, der die Republik belastet. Neuer kann aber noch hinzu kommen, wenn sich außerdem in den weitgefächerten Untersuchungen herausstellen sollte, dass der Verkauf der ostdeutschen Minol-Tankstellenkette an den französischen Konzern Elf Aquitaine nicht sauber zustande gekommen ist. Ins Zentrum der Fragen gerät: Altkanzler Kohl. Dadurch erhält das Ganze eine kaum glaubliche Dimension.

Es stehen mit Sicherheit Schlammschlachten bevor. Die Verteidigung wird aus gegenseitigen Angriffen bestehen, das deutet sich bereits an. Die SPD schießt auf die CDU, die CDU sammelt Munition: Da war doch noch die Geschichte mit Gerhard Schröders einstmals "bestem Mann", Bodo Hombach ... Das klingt kriegerisch und ist wegen der strategischen Bedeutung des Kampfes auch so gemeint. Befindet sich die Union nicht gerade auf der Siegerstraße? Stehen nicht Anfang nächsten Jahres wichtige Landtagswahlen an, die über das Schicksal von Rot-Grün im Bund entscheiden? Kiep, Kohl, die CDU - jeder für sich, aber alle gemeinsam müssen auch aus diesem Grund alles zur Aufklärung beitragen. Wenn sie es können.

Was die Politik insgesamt leisten kann? Sie muss das Parteiengesetz neu fassen. Die Parteien könnten neben der Obergrenze der Staatszuschüsse in Höhe von 245 Millionen Mark einen Höchstbetrag für Einzelspenden einführen, vielleicht in Höhe von 100 000 Mark. Sie sollten sich verständigen, generell die Herkunft sämtlicher Spenden ab 20 000 Mark zu veröffentlichen. Und sie müssten ihre Rechenschaftsberichte, ihre Buch- und Kontoführung dem Bundesrechnungshof zur Prüfung vorlegen, nicht mehr (nur) dem Bundestagspräsidium. Das alles ist nötig, ja zwingend als eine möglichst schnelle Reaktion. Den Rest kann, wenn schon nicht der Anstand, nur die Staatsanwaltschaft regeln.

Gerade erst schien das Phänomen der Politikverdrossenheit leidlich überwunden zu sein. Dafür droht jetzt die unkalkulierbare Vervielfältigung der Politikverdrossenheit. Sind alle Politiker korrupt? Dass sie es nicht sind, dass Politiker und Parteien Vertrauen verdienen, müssen sie nun auch beweisen. Die Unschuldsvermutung gilt im Wahlvolk nicht mehr.

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