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Politik: Schweigen auf Kommando

Die Regierung in Jakarta will mit allen Mitteln verhindern, dass aus der Provinz Aceh ein eigener Staat wird. Journalisten aus dem Ausland stören da nur

William Nessen hat nur Zeit für einen Satz, dann drücken zwei Männer den US-Reporter in das Auto, mit dem er ins Gefängnis gefahren wird. „Euch allen vielen Dank fürs Kommen“, ruft Nessen schnell den Journalisten zu, die seine Ankunft verfolgen. Ein paar Stunden zuvor hatte er sich auf einer Straße dem Militär „gestellt“, das ihn in einem Helikopter nach Banda Aceh brachte. Der 45-Jährige aus New York ist erleichtert, indonesische Soldaten haben ihn nicht beschossen, sondern friedlich empfangen und ohne Misshandlung der Polizei übergeben. Bald soll der Journalist wegen „Einreisevergehen" angeklagt werden und könnte mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Nessens Verbrechen: Als einziger Reporter hatte er versucht, im Aceh-Krieg von der „anderen Seite“ zu berichten. Er hatte mehrere Wochen mit den Rebellen der „Gam“ verbracht, die aus der indonesischen Provinz Aceh einen unabhängigen Staat machen wollen.

Seit 1976 bekämpfen sich „Gam“ und indonesische Regierungstruppen, seit sechs Wochen so hart wie nie zuvor. Am 19. Mai verhängte Jakarta das Kriegsrecht über die Provinz Aceh, eine Militäroffensive nach US-Vorbild läuft, 400 Menschen sind schon tot. 40 000 Soldaten und Polizisten sind im Einsatz, die indonesische Version von „Schock und Ehrfurcht“ sind der Einsatz von Panzern in Dörfern und Luftangriffe auf vermutete Stellungen der Rebellen mit Kampfhubschraubern und F-16-Jets. Auf einer Insel soll ein Gefangenenlager nach dem Vorbild Guantanamo Bay entstehen.

Bei den Truppen „eingebettete“ Reporter berichten. Allerdings hat das Militär nur Indonesier eingeladen. Dewi Kurniawati gehört dazu. Sie durfte die viertägige „Embedding-Ausbildung“ beim Militär absolvieren, aber später die Soldaten in Aceh nicht begleiten. „Was können Sie im Krieg für Ihr Land tun? Das stand auf einem Fragebogen, den wir alle am ersten Tag des Trainings ausfüllen mussten“, sagt Kurniawati, „am zweiten Tag brachten sie uns Schießen bei, am letzten Tag mussten wir die indonesische Flagge küssen.“ Mehr als 100 Reporter hat das indonesische Militär trainiert. Mit Ausnahmen berichten sie positiv über die Offensive, die die Einheit Indonesiens bewahren soll.

Ausländische Journalisten, die auf eigene Faust in Aceh waren, stellen weniger sympathisch dar, wie indonesische Soldaten „Gam“-Mitglieder suchen. In Dörfern trete ein „Muster von Verhören, gefolgt von Schlägen and Exekutionen“ hervor, schreibt Matthew Moore in der australischen Zeitung „The Age“. „Menschen sind auch aus ihren Häusern oder von der Straße abgeholt worden. Sie kommen nicht lebend zurück“, berichtet John Aglionby im britischen „Observer". Mit solchen Sätzen soll Schluss sein. Ohne es zuzugeben, riegelt Indonesien Aceh für Auslandskorrespondenten ab.

Sollten Reporter aus dem Ausland bald wieder nach Aceh dürfen, werden sie dort kaum noch arbeiten können. In einem neuen Militärdekret steht, dass sie ab sofort ohne Militär- oder Polizeibegleitung nur aus Städten berichten können. Die Militäraktionen aber finden praktisch ausschließlich auf dem Land statt. Und Mitarbeiter des Roten Kreuzes wollen ihre Präsenz nicht aufs Spiel setzen: „Wir holen die Leichen und die Verletzten ab und halten den Mund“, sagt ein Rotkreuz-Mitarbeiter in Aceh.

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