zum Hauptinhalt

Politik: Schweriner Minister: Wir haben die Lage noch nicht im Griff

Katastrophenalarm wegen Vogelgrippe auf Festland - Länder prüfen Nachbestellung von Medikamenten

Berlin - Nach dem Übergreifen der Vogelgrippe auf das Festland ist der Katastrophenfall auf die Landkreise Nordvorpommern und Ostvorpommern ausgeweitet worden. Schwerins Verbraucherschutzminister Till Backhaus (SPD) forderte zudem alle Kreise entlang der Ostseeküste auf, einen zehn Kilometer breiten Streifen unter Beobachtung zu stellen. Auf Rügen sind 270 Bundeswehrsoldaten zur Suche nach verendeten Tieren und zur Desinfektion eingesetzt. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) berät nach Tagesspiegel-Informationen am Donnerstag mit ihren Kollegen aus den Bundesländern über den Umgang mit der Seuche.

Man habe die Lage „noch nicht im Griff“, sagte Backhaus. Er übte scharfe Kritik an Rügens Landrätin Kerstin Kassner (PDS), die ihrerseits Fehler einräumte. Backhaus zufolge wurden auf Rügen 79 infizierte Vögel gefunden, in den zwei Nachbarkreisen je einer. Infektionen bei Hausgeflügel oder Singvögeln wurden nicht festgestellt. Vorsorglich seien aber 2463 Enten und Hühner aus fünf Betrieben getötet worden.

Nach Angaben des Instituts für Tierseuchenbekämpfung tragen die an Vogelgrippe verendeten Vögel große Mengen des Erregers in sich. Der Mikrobiologe Alexander Kekulé übte heftige Kritik daran, dass man die Kadaver nicht rechtzeitig vor Aasfressern gesichert habe. Das Übergreifen der Vogelgrippe auf Nutztierbestände sei mit frühzeitigen Absperrmaßnahmen durchaus zu verhindern, sagte der Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie der Universität Halle-Wittenberg dem Tagesspiegel.

Der örtliche Umgang mit der Vogelgrippe löste eine neue Debatte über die Kompetenzen von Bund und Ländern aus. „Der Fall zeigt, dass der Föderalismus bei der Krisenbekämpfung überfordert ist“, sagte Manfred Zöllmer (SPD), Vizevorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Verbraucherschutz, dieser Zeitung. Es sei nötig, in vergleichbaren Fällen mehr Kompetenzen auf den Bund zu verlagern. Auch Kekulé forderte, die föderalen Strukturen zu überdenken. „Wir brauchen dringend eine Bundeszuständigkeit für biologische Gefahren.“ Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) warnte hingegen davor, die Kompetenzen von Bund und Ländern erneut zu diskutieren.

Die Länder-Gesundheitsminister prüfen am Donnerstag, ob sie ihre Vorräte an antiviralen Medikamenten aufstocken. Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Gesundheitsminister Gerry Kley (FDP), kritisierte aber Schmidts Forderung, Vorräte für 20 Prozent aller Bürger anzulegen. „Es ist etwas ungewöhnlich, wenn jemand, der sich finanziell nicht an den Kosten für die Bevorratung beteiligt, solche Forderungen erhebt“, sagte er dem Tagesspiegel. Die Kassenärzte verlangen von der Politik klare Anweisungen, wie sie bei einer Pandemie mit Arznei-Vorräten umgehen sollen. „Wir wehren uns dagegen, dass die Ärzte dann Rationierungsentscheidungen treffen müssen“, sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Roland Stahl, dieser Zeitung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false