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Politik: Schwerste politische und soziale Krise in der Geschichte des Landes

Erst tobte eine Sturmflut an der Küste, dann spuckten die Vulkane Asche über Banos und die Vorstädte der Hauptstadt Quito. Jetzt regiert neben dem wirtschaftlichen das politische Chaos.

Erst tobte eine Sturmflut an der Küste, dann spuckten die Vulkane Asche über Banos und die Vorstädte der Hauptstadt Quito. Jetzt regiert neben dem wirtschaftlichen das politische Chaos. Präsident Jamil Mahuad steht wegen der desolaten wirtschaftlichen Situation seines Landes unter wachsenden Druck. Mehrere tausend Menschen gingen am Donnerstag in mehreren Städten Ecuadors auf die Straße, um den Rücktritt Mahuads zu fordern. Das von zahlreichen Gewerkschaften getragene Oppositionsbündnis Frente Patriotico (FP), das zu den Demonstrationen aufgerufen hatte, macht den 50-jährigen Anwalt für die schwere Krise in Ecuador verantwortlich.

Ecuador litt 1999 unter einer Inflationsrate von 61 Prozent, die höchste der 90-er Jahre. Die Landeswährung Sucre verlor fast 200 Prozent ihres Wertes gegenüber dem US-Dollar. Die Regierung reagierte mit der Verhängung des Ausnahmezustands auf den öffentlichen Unmut. Bei den Demonstrationen wurden nach amtlichen Angaben zwei Menschen verletzt und 49 vorübergehend festgenommen.

Seit zehn Jahren und dem Ende der Regierung Rodrigo Borja schlittert das Andenland von einer politischen Krise in die nächste. Die Cholera, die sich erstmals 1991 an der Küste ausbreitete, war wie ein Menetekel für die noch kommenden, schlimmeren Jahre. Die Stadtverwaltung der Zwei-Millionen-Metropole Guayaquil war nicht in der Lage, die Epidemie einzudämmen. Bis heute sind die Ursachen der Seuche nicht beseitigt, offene Kloaken ziehen sich durch die Hafenstadt; die Politiker versprachen viel, getan wurde nichts, Hilfsgelder verschwanden.

Der 1992 gewählte Präsident Sixto Duran, ein Architekt, machte anfangs gute Figur, mehr nicht. Er ließ sich schließlich 1995 von den Militärs in einen Krieg mit Peru um einige Quadratkilometer Dschungel treiben. Seinem Nachfolger Abdala Bucaram hinterließ er eine leere Staatskasse. Als Bucaram im Januar 1996 drastische Preiserhöhungen für Benzin, Strom und Gas ankündigte, kam es zu landesweiten Protesten. Das Parlament entmachtete Bucaram wegen "geistiger Unfähigkeit", er und ein Teil seiner Minister setzten sich mit Koffern voller Dollar ab.

Danach stritten sich der Vizepräsident und die Parlamentspräsidentin mit gegenseitigen Absetzungsverfügungen ums höchste Amt im Staate. Die Militärs entschieden sich für den Vize Fabian Alarcon. Er führte als "Interimspräsident" die Geschäfte. Eine Verfassungsgebende Versammlung wurde 1997 einberufen. Sie streitet sich mit dem Parlament um Kompetenzen. Bei den Wahlen im Mai 1998 erzielte Jamil Muhuad mit 35 Prozent das beste Ergebnis. Doch der Präsident wird vom Parlament und den meisten Parteien blockiert.

Der Staat Ecuador ist nun schon seit Jahren handlungsunfähig: die Politiker führen einen Grabenkrieg gegeneinander, den kein Mensch mehr versteht. Derweil ist Ecuador pleite. Steuern zahlen nur "die Dummen". Alle Pläne mit Hilfe des Internationalen Weltwährungsfonds und der Weltbank ein Mindestmaß solider Buchhaltung in Ecuador einzuführen, sind bislang gescheitert; das Parlament ist beschlussunfähig. Nur in der Ablehnung jeder Reform ist es einig. Präsident Jamil Mahuad erklärte sein Land für zahlungsunfähig: Ecuador bedient seine Schulden nur noch zur Hälfte - die Schuldzinsen verschlingen fast die Hälfte des Budgets.

"Ecuador ist kein armes Land, sondern eines, das schlecht regiert wird. Die Politiker haben kein Gefühl für Verantwortung gegenüber der eigenen Nation." Das ist das undiplomatische Resumee, das US-Botschafter Leslie Alexander bei seinem Abschied aus Quito zog. Die Land gehört nach internationalen Maßstäben zum Klub der zehn korruptesten Länder der Welt.

Carl D. Goerdeler

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