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Politik: Schwestern, hört die Signale! Wird aus dem "dürfen" bald ein "müssen"? (Glosse)

Das ist das 21. Jahrhundert: Eine Ära deutscher Geschichte geht zuende, und zwar in Luxemburg.

Das ist das 21. Jahrhundert: Eine Ära deutscher Geschichte geht zuende, und zwar in Luxemburg. Es hat den Europäischen Gerichtshof gebraucht, damit Bewegung in die deutsche Politik kommt zum Thema "Frauen an die Waffen". Dabei bestätigt das Urteil nur, was kaum ein Macho noch bestreiten würde: Eine Elektronikerin hat die gleichen Fähigkeiten wie ein Elektroniker, eine Soldatin die gleichen wie ein Soldat, Töten inklusive. Weil das so offensichtlich scheint, beeilen sich jetzt alle zu erklären: Sie hätten ja gar nichts gegen Waffen tragende Frauen, und schon zieht die Marine Pläne aus der Schublade, nach denen die Besatzung von Kriegsschiffen in Zukunft zu 20 Prozent von Frauen gestellt werden könnte. Warum nicht früher?

Wir können uns also darauf einrichten, dass die Bundeswehr kein Männerverein bleibt, dass der Gesetzgeber sich endlich vom überkommenen Rollenverständnis löst, das besagt: Die Frauen hüten die Kinder, die Männer verteidigen das Land. Dazu muss das Soldatengesetz geändert werden, vielleicht auch das Grundgesetz - je nachdem, welcher Interpretation des umstrittenen Artikels 12"a man sich anschließen wird.

Wie die Juristen sich auch entscheiden, schon in diesem Jahr werden die Frauen an die Waffen gelassen. Sie dürfen endlich vollwertige Soldatinnen sein - aber sie müssen nicht. Vielleicht noch nicht: Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis der erste wehrpflichtige Mann auf die Idee kommt, dadurch werde der Grundsatz der Gleichberechtigung verletzt - diesmal unter umgekehrten Vorzeichen. Wieder wird ein Gericht zu entscheiden haben. Und wenn wir alle Glück haben, Männer und Frauen, dann wird das Gericht dem Mann Recht geben.

Das Argument, das immer gegen eine Wehrpflicht für Frauen eingesetzt wird, ist alt: Frauen, heißt es, seien schließlich schon von der Biologie benachteiligt. Indem sie Kinder gebären, erfüllten sie schon eine gesellschaftliche Aufgabe, sei ihre Karriere schon behindert, da sollte man ihnen nicht noch eine zusätzliche Pflicht auferlegen.

Das ist gut gemeint mit den Frauen, trotzdem wird eines gern vergessen: Es gibt auch Frauen, die keine Kinder bekommen, und es gibt Männer, die Nachteile davon haben, dass sie Väter sind. Ein Mann, der sich um seine Kinder kümmert, erleidet genauso einen Karriereknick wie eine Frau, die dasselbe tut - mit dem Unterschied, dass die Frau, um das Kind zur Welt zu bringen, dreieinhalb Monate Mutterschutz genießt. Alles was nach dem Gebären kommt, ist keine Frage der Biologie, sondern eine gesellschaftliche Abmachung. Wenn die Wehrpflicht auf Männer beschränkt bleibt, kann sich jeder Mann weiterhin aus der Affäre ziehen, indem er sagt: "Ich war schon beim Bund, jetzt muss ich mich um die Karriere kümmern." Schonung, das lehrt das gestrige Urteil, kann auch Diskriminierung sein.

Tanja Stelzer

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