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Schwesterparteien: Merkel feiert Geburtstag bei der CSU

Merkel und Seehofer bieten auf dem CSU-Parteitag Paarlauf ohne Anfassen. "Beißt die Richtigen", erklärt die Kanzlerin, "und dann wirds gut!".

Von Robert Birnbaum

Es dauert lange, bis kommt, worauf in Wahrheit alle warten. Sehr lange. Erst muss der CSU-Parteitag sich Angela Merkels gesamte Standardrede anhören, die mit 60 Jahren Bundesrepublik anfängt und mit der Bedeutung der sozialen Marktwirtschaft für die Bewältigung der Weltwirtschaftskrise noch lange nicht endet. Horst Seehofer mustert konzentriert die Hallendecke im Nürnberger Kongresszentrum. Die Delegierten dämmern. Vielleicht hat sich die CDU-Vorsitzende den öden Vortrag als Strafe ausgedacht für die renitente Schwesterpartei? Es kommt aber doch noch, am Ende. „Die CSU hat wieder Biss“, zitiert Merkel einen von Seehofers Lieblingssprüchen, dann fährt sie fort: „Das ist schön. Beißt die Richtigen, und dann wird’s gut!“

Der Saal kichert, lacht, klatscht. Seehofer lacht mit. Er und seine CSU haben Merkels CDU oft in die Waden gebissen in jüngster Zeit, zuletzt im Streit über die Europapolitik. Klar, dass die Gastrednerin das zur Sprache bringen muss. Aber 70 Tage vor der Bundestagswahl ist nicht die Zeit für ernste Konflikte. „Es ist die Zeit der Gemeinsamkeiten“, hat ja sogar der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt am Freitagfrüh verkündet. Dobrindt war im Europa-Streit als Scharfmacher unterwegs. Doch jetzt, zum Parteitag, hat sein Chef kein Interesse mehr an Krawall.

In den Konflikten der Schwesterparteien steckt oft ein Stück Theaterdonner. Als der Krach über die künftige Mitsprache von Bundestag und Bundesrat in der EU-Politik losging, hat Seehofer mit Merkel telefoniert. Merkel konnte anschließend die Erwartung hegen, dass der bayerische Löwe vor dem Parteitag laut brüllen und danach einlenken würde. Tatsächlich ging es sogar schneller. Das hing mit einer Premiere zusammen. Erstmals hat die eigene Partei Seehofer abgebremst; erst die Euro-Politiker, danach die Berliner CSU-Landesgruppe. Das 14-Punkte- Papier zur Parlamentsbeteiligung hat mit dem Ursprungskonzept seither nur noch die Zahl der Punkte gemein. Der Forderungskatalog, der anfangs der Bundesregierung eine Art imperatives Mandat von Bundestag und Bundesrat in EU-Angelegenheiten aufdrücken wollte, sei nun „regierungstauglicher“, sagt ein Christsozialer. „Wir wollen doch nicht in die anti-europäische Ecke“, sagt ein anderer.

Geschadet hat Seehofer das alles übrigens nicht. Erstens hat das Ausbremsmanöver kaum einer gemerkt, zweitens wegen der speziellen bayerischen Anarcho-Dialektik. Die Leute, sagt ein Delegierter, wollten eine starke CSU, aber keine „One-Man-Show“. Und einer wie der Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sei auch deshalb so beliebt, weil er sich nicht mal vom Parteichef „den Schneid abkaufen“ lasse – was dann, wegen der Dialektik, sogar eben diesem Chef der Partei nütze, die solch eigenständige Geister hervorbringe.

Als Merkel fertig ist mit ihrer Rede, wird sie höflich beklatscht. Anschließend wird sie gefeiert. Sie hat nämlich heute Geburtstag, 55 Jahre. „Alles Gute und viel Glück, du bist unser bestes Stück“, singt ein Kinderchor, was Seehofer, versichert er später, auch findet: „Du kannst auf die Unterstützung aus dem Süden zählen.“

Dann kommen die Geschenke dran. Eine Geschichte Bayerns kriegt Merkel, und dazu einen Mini-Sprachführer, „Bayerisch-Deutsch“ sowie umgekehrt. „Ich kann mir vorstellen, dass du uns und mich nicht jeden Tag verstehst“, frotzelt Seehofer. Dabei, das habe schon der Reformator Martin Luther festgestellt, seien die Bayern als solche „freundlich und gutwillig“. Kunstpause. Noch mehr Kunstpause. Seehofer lächelt das Geburtstagskind um Zustimmung heischend an. Gelächter im Saal. Jeder weiß, das ist die spezielle Seehofersche Dialektik: Sage Nettigkeiten so, dass man sofort merkt, sie sind nicht ernst gemeint. Merkel verzieht keine Miene. Später sagt sie, das mit Luther habe ihr als Protestantin gefallen: „Das zeigt noch mal, dass auch Protestanten Recht haben können.“ Jetzt ist es an Seehofer, so wenig Miene zu verziehen wie möglich.

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