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Politik: Schwimmender Schrotthaufen

Drei Jahre nach der „Kursk“ sinkt wieder ein russisches U-Boot. Ein vermeidbares Unglück, sagt ein Ex-General

Grauer Himmel und wildbewegtes Meer, Bergungsschiffe und Rettungsmannschaften in grell orangefarbenen Westen. Bilder, die der russische Fernsehzuschauer nur allzu gut kennt: In der Barentssee, dort, wo vor fast genau drei Jahren die „Kursk“ mit 118 Mann an Bord unterging, verunglückte am Samstagmorgen ein weiteres Atom-U-Boot der russischen Nordmeerflotte – die K-159.

Nur, weil es zum Abwracken unterwegs war, halten sich die Opfer in Grenzen. An Bord waren nur zehn Besatzungsmitglieder. Zwei von ihnen wurden bereits tot aus dem Wasser geborgen, sieben gelten offiziell noch als vermisst, ihre Rettungschancen bewerten Experten als minimal: Die Wassertemperatur liegt derzeit bei nur noch knapp zehn Grad, nach spätesten anderthalb Stunden gilt der Tod durch Unterkühlung als unvermeidlich.

Maxim Zibulski, ein siebenundzwanzigjähriger Oberleutnant, der ins Militärlazarett in Murmansk gebracht wurde, ist daher wohl der Einzige, der die Katastrophe überlebte. Zwar sei sein Zustand stabil, zitierten russische Nachrichtenagenturen die Ärzte. Er stehe jedoch noch unter Schock. Wann die Ermittler mit ihm sprechen können, ist daher ungewiss. Die Führung der Nordmeerflotte könnte durch den Bericht Zibulskis indes neue Probleme bekommen. Schon nach dem Unfall der „Kursk“ war sie öffentlich stark in die Kritik gekommen. Die Katastrophe kostete den Oberkommandierenden und den Stabschef damals ihren Rang und ihre Admirals-Epauletten.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Katastrophe vermeidbar gewesen wäre. Eduard Baltin, Ex-Kommandeur der russischen Schwarzmeerflotte, sprach nach Angaben der Nachrichtenagentur RIA-Nowosti von schweren Verstößen gegen geltende Dienstvorschriften für den Umgang mit ausgemusterten U-Booten. Vor dem Abschleppen hätten alle Öffnungen und Luken verschweißt werden müssen. Menschen hätten nichts mehr an Bord zu suchen gehabt. Mit eben diesem Boot sei er selbst 1983 nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt: „Unter Wasser konnte es sich halten, über Wasser war es nicht schwimmtauglich.“ Eben diese Fahrt vor 20 Jahren sei die letzte Ausfahrt der K-159 vor dem Abwracken überhaupt gewesen, sagte Baltin.

Genau wie die „Komsomol“ die seit 1989 vor der Bären-Insel in der Norwegensee liegt, und die K-8, die im April 1970 in der Biscaya sank, gehört auch die K-159 zur ersten Generation atomgetriebener U-Boote. Laut der Nato-Klassifizierung „Wal“ haben diese erhebliche Mängel bei der Hermetik der Reaktoren (siehe Kasten). Der Reaktor des verunglückten U-Bootes wurde zwar schon 1989 „eingeschläfert“, Brennelemente und Torpedos waren nicht an Bord. Das Wrack ist dennoch sehr gefährlich: Es liegt in geringer Tiefe drei Seemeilen nordwestlich der Insel Kildin, wo reger Schiffsverkehr herrscht.

Zwar versprach Putin neben eingehender Untersuchung des Unglücks bereits die Hebung des Wracks. Experten in Moskau fürchten jedoch, das Vorhaben werde an der Kassenlage scheitern.

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