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Sebastian Edathy muss 5000 Euro Geldauflage für die Einstellung des Prozesses gegen ihn zahlen.

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Sebastian Edathy: Es wird Zeit, dass ihn jetzt mal jemand in Schutz nimmt

Die wirtschaftliche und politische Existenz von Sebastian Edathy ist vernichtet. Obwohl das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde. Es wird Zeit, die Dinge einmal in anderem Licht zu sehen. Eine Glosse.

Eine Glosse von Lars von Törne

Das Neueste zum Fall Edathy sind die Tanklastwagen einer Kamener Spedition, die nun mit vollflächigen Sprüchen zum Thema beklebt herumfahren: „Kinderpornos Download: 5000.-“ steht da, und etwas kleiner darunter „Opfer haben lebenslänglich“. Aha. Jetzt wird die Affäre, die erst nur die Empörung im Internet beflügelt hat, auch auf der Straße ausgetragen. Jeder hat eine Meinung, jeder möchte sie mitteilen, so groß wie möglich, Til Schweiger vorneweg. Was ist da los?

Der Sachverhalt selbst ist ganz einfach. Sebastian Edathy hat sich fragwürdige Bilder aus dem Internet heruntergeladen. Die Staatsanwaltschaft hat diese Bilder argwöhnischst geprüft und dabei den Eindruck gewonnen, dass an der Existenz einer strafbaren Handlung jedenfalls große Zweifel bestehen. Daraus wurde schließlich ein Deal, wie er in Deutschland jährlich 250 000 Mal vorkommt: Edathy gesteht den Download der Bilder und zahlt 5000 Euro, und im Gegenzug wird das ohnehin wacklige Verfahren eingestellt. Kleinkram.

Kinder bei der Feuerwehr in Lüneburg. Der Kinderfeuerwehrverband in Niedersachsen bekommt die 5000 Euro Bußgeld von Sebastian Edathy.
Kinder bei der Feuerwehr in Lüneburg. Der Kinderfeuerwehrverband in Niedersachsen bekommt die 5000 Euro Bußgeld von Sebastian Edathy.

© dpa

Abgesehen von den 5000 Euro natürlich. Edathys Existenz ist vernichtet, wirtschaftlich wie politisch – er muss im Grunde nach Tasmanien umziehen oder auf den Mond, irgendwohin, wo keine Kamener Tanklaster fahren und Til Schweiger keine Facebook-Freunde hat. Er sollte sich einen Bart ankleben, das Gesicht chirurgisch umbauen lassen, im selbst gebauten Zeugenschutzprogramm verschwinden, am besten alles auf einmal. Er durchlebt, kurz gesagt, die soziale Hölle. Weshalb das die gerechte Strafe für einen sein soll, der sich offenbar gesetzeskonform verhalten hat, soll mir mal jemand erklären.

Es gibt für die immense Wut auf Edathy dennoch mögliche Deutungen. Entweder wissen die Leute nicht, was wirklich passiert ist, und sie folgen der komplett abwegigen Vermutung, hier sei mal wieder einer von denen da oben privilegiert worden. Oder sie akzeptieren den Sachverhalt, wollen aber, dass die gesetzliche Grenze ab sofort anders gezogen wird, dass also beispielsweise der Besitz von Bildern leicht oder gar nicht bekleideter Kinder generell bestraft wird. Und zwar vielleicht so, wie man in Singapur Sprayer bestraft. Dieses Problem könnten wir bei der Gelegenheit ja gleich mit erledigen, nicht wahr?

Recht und Gerechtigkeit sind zwei verschiedene Dinge, das hören wir in jedem zweiten „Tatort“. Manchmal ist die vermeintliche Gerechtigkeit aber auch nur ein Aufkleber auf einem Lastzug – und dort wird gottlob Recht noch nicht gesprochen.

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