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Das Hamburger Frachtschiff "Taipan" wurde vor der somalischen Küste überfallen. Die mutmaßlichen Seeräuber stehen bald in der Handesstadt vor Gericht.

© dpa

Seeräuber-Prozesse: Piraten finden keine Richter in Afrika

Kommenden Monat findet der erste deutsche Piraterieprozess seit rund 400 Jahren statt. Eigentlich sollten afrikanische Gerichte über das Schicksal vor Somalia gefangener Seeräuber entscheiden - doch es fehlen Abkommen.

Voraussichtlich ab Mitte November sollen in Hamburg zehn mutmaßliche Piraten aus Somalia vor dem Richter stehen. Sie waren auf Antrag der deutschen Staatsanwaltschaft von den Niederlanden ausgeliefert worden. Niederländische Soldaten hatten das deutsche Containerschiff „MS Taipan“ im April befreit. Ob das Hamburger Verfahren auch der letzte Prozess in Deutschland sein wird, liegt in den Händen afrikanischer Staaten. Bislang gibt es dort kaum ausreichende Möglichkeiten, um mutmaßlichen Piraten den Prozess zu machen. Jetzt sucht die EU nach weiteren Ländern in der Region, die die rechtliche Verfolgung mutmaßlicher Piraten übernehmen könnten.

Immer wieder nehmen Soldaten der europäischen Anti-Piraterie-Mission Atalanta in den somalischen Gewässern Piraten fest, die internationale Frachter attackieren und entführen. Bisher wurden die meisten Seeräuber an Kenia übergeben, doch seit Anfang Oktober geht das nicht mehr: Kenia hat seinen Vertrag über die Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung mit der EU aufgekündigt. Momentan sind die Seychellen das einzige Land, an das die EU-Staaten festgenommene Seeräuber ausliefern können. Die Aufnahmekapazität der Inseln allerdings ist sehr gering. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton war daher Anfang Oktober durch die afrikanische Region gereist, um neue Verbündete zu finden. Als Gegenleistung für die Übernahme von Piraten verspricht die EU Unterstützung für das jeweilige Justizsystem. Mit Südafrika und Mauritius hat Ashton verhandelt, die Absprachen mit Mauritius seien „sehr fortgeschritten“, sagte eine Sprecherin Ashtons dem Tagesspiegel.

Solange aber kein Abkommen zwischen der EU und Mauritius unterschrieben ist, würden mutmaßliche Piraten wohl nach Deutschland gebracht, sobald die zuständige Staatsanwaltschaft in Hamburg einen Haftbefehl erlässt. Das wäre immer dann der Fall, wenn Piraten ein deutsches Schiff oder eine deutsche Besatzung überfallen würden.

Piraten sind in Deutschland allerdings politisch höchst unerwünscht – was vor allem in der Debatte nach den ersten Festnahmen von Piraten durch deutsche Soldaten am Horn von Afrika im März 2009 deutlich wurde. „Da gab es eine Heidenangst, dass nun massenhaft Piraten nach Deutschland kommen, bei denen man nicht weiß, was man nach der Haft mit ihnen machen soll“, sagt Rainer Stinner, außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Das Abkommen zwischen Kenia und der EU kam im Frühjahr 2009 daher gerade noch rechtzeitig für die deutschen Soldaten der Fregatte „Rheinland-Pfalz“. Tagelang war unklar gewesen, wohin sie die neun Piraten bringen sollten, die sie bei der Befreiung des deutschen Frachters „MV Courier“ festgenommen hatten. Unmittelbar nach Vertragsschluss wurden die Festgenommenen übergeben, ihre Verfahren im kenianischen Mombasa laufen noch.

Insgesamt warten in Kenia inzwischen etwa 100 mutmaßliche Piraten auf ihr Urteil. Das kenianische Außenministerium begründete laut Presseberichten die Kündigung des EU-Abkommens mit einer Überlastung der eigenen Justiz und der Angst um die Sicherheit des Landes. Beobachter merken aber an, dass der Vertrag von Anfang an innenpolitisch umstritten war, denn auch Kenia wolle keine Piraten im Land. Aus der EU-Kommission heißt es, dass es Kenia inzwischen bei der Strafverfolgung der Piraten um eine gerechtere Lastenteilung mit anderen afrikanischen Staaten gehe. Man wolle sich intensiv darum bemühen, die Zusammenarbeit mit Nairobi fortzusetzen.

In Deutschland hat sich unterdessen die Diskussion um die Frage, was hierzulande mit Piraten nach der Haft passieren soll, wieder beruhigt – was an der bislang geringen Zahl der Fälle liegt. Erst zwei Mal seit Beginn der deutschen Beteiligung an der Atalanta-Mission hat die zuständige Staatsanwaltschaft Hamburg Haftbefehl erlassen, obwohl es allein im ersten Halbjahr 2010 weltweit 196 Piratenattacken gab.

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