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Politik: Sehnsucht nach früher

Die Indonesier leiden unter der Wirtschaftskrise – das könnte die Reformer bei der Parlamentswahl den Sieg kosten

Von Moritz Kleine-Brockhoff,

Jakarta

Die Wahlforscher sind sich einig: Wenn die Indonesier heute ein neues Parlament wählen, verpassen sie der Regierungspartei eine kräftige Ohrfeige. „Die PDI-P wird mehr als die Hälfte ihrer Stimmen und damit ihre Führungsrolle verlieren“, sagt Hank Valentino von der Ifes-Stiftung, die seit Monaten Umfragen in Indonesien durchführt. „Die Golkar-Partei wird gewinnen.“ Die Prognose schockiert viele Beobachter. Die Golkar-Partei war einst die politische Maschine von General Suharto, der von 1967 bis 1998 mit einem Militärregime brutal regierte: keine freien Wahlen, keine Pressefreiheit, keine freien Gewerkschaften, kein Versammlungsrecht, keine Parteienvielfalt.

Als der General inmitten der asiatischen Finanzkrise stürzte, wurde Indonesien demokratisch. Doch die Reformer, die 1999 nach jahrzehntelanger Unterdrückung freie Wahlen gewonnen hatten, haben ihre Chance vertan. „Nach fünf Jahren Experiment wollen die Menschen wieder einen Wechsel, weil sie nicht zufrieden sind“, sagt Rizal Mallarangeng, der die Reden für Megawati Sukarnoputri schreibt, Präsidentin und zugleich Chefin der PDI-P. Unter ihr erblüht in Indonesien die Demokratie, aber davon allein wird noch niemand satt. Die Hälfte der Bevölkerung muss mit weniger als zwei Euro pro Tag auskommen. Rund 35 Millionen sind arbeitslos. Das liegt zwar mit daran, dass Suharto und Golkar einen Schuldenberg hinterließen. Doch die Menschen erinnern sich nicht mehr an die hässliche Vergangenheit und die Scherben der Militärherrschaft, sondern an den langen wirtschaftlichen Sommer davor. „Unter Suharto haben wir alle als Bauarbeiter gearbeitet, wir hatten Einkommen und ein Zuhause“, sagt Parman, „jetzt wird nirgends mehr gebaut, und schauen Sie, was aus uns geworden ist. Parmans Familie lebt unter einer Brücke in Jakarta.

Die Golkar-Partei und Suharto haben sich längst zerstritten. Die Partei gibt sich demokratisch und verströmt doch die Aura der „guten alten Zeit“. Das tun auch andere: Suharto-Tochter Tutut machte Wahlkampf für die neu gegründete PKPB. „Lang lebe Suharto“, rief sie ihren Zuhörern zu. 24 Parteien treten an. Golkar, die meisten neuen Parteien und die regierende PDI-P sind säkular, sieben andere aber mehr oder weniger islamisch. Obwohl 90 Prozent der Wähler Moslems sind, rechnet keiner damit, dass eine Islampartei das Rennen macht. Die meisten Indonesier wollen die Trennung von Moschee und Staat.

Sollten Golkar und alte Militärs in neuen Gewändern die Parlamentswahl tatsächlich gewinnen – die Uhr zurückdrehen können sie nicht: Die Mandatsgarantien für Militärs gibt es nicht mehr, Generäle, die politische Ämter haben wollen, müssen den Militärdienst quittieren, und der Präsident wird direkt von Volk gewählt. Diese Wahl steht erst am 5. Juli an, und sie ist in Indonesiens Präsidialsystem wichtiger als die heutige Parlamentswahl. Ihr Ausgang ist indes völlig offen.

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