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Politik: Sehnsucht nach Sowjetzeiten

In der russischen Provinz formiert sich Widerstand gegen Putin

Abfahrtslauf verlangt Konzentration auf das Nächstliegende – die Piste. Das kann für den Kurzurlauber Wladimir Putin nur gut sein. Trotz unverändert hoher persönlicher Zustimmungsraten sind die ersten politischen Nachrichten des neuen Jahres alles andere als eine Liebeserklärung der Bevölkerung an die russische Führung.

In mehreren Regionen – darunter auch im fernöstlichen Kamtschatka, wo sich die Temperaturen momentan um minus 40 Grad bewegen – streiken die Angestellten von städtischen Betrieben und Wohnungsbaugesellschaften. Grund sind neben erneuten Rückständen bei der Lohnzahlung Pläne für eine Reform der noch immer bezuschussten Wohnungswirtschaft. Die Masse der Russen zahlt nach wie vor nur einen Bruchteil der realen Betriebskosten. Subventionen aus dem Staatshaushalt verschlingen daher den Löwenanteil des Sozialetats.

Weil das Geld dennoch nicht reicht, können notwendige Reparaturen nicht ausgeführt werden. Ständig kommt es daher zu Brüchen in maroden und verrottenden Rohrleitungssystemen. Dazu kommt, dass die noch nach planwirtschaftlichen Kategorien organisierten Betriebe, die ineffizient und mit einem aufgeblähten Verwaltungsapparat arbeiten, bisher nicht von privater Konkurrenz bedrängt werden.

Um den unheilvollen Trend zu brechen, verabschiedete das russische Parlament, die Duma, im letzten Jahr ein Reformpaket. Die Verabschiedung gelang aber erst im zweiten Anlauf. Nachbesserungen im Schlichtungsausschuss sorgten dafür, dass die Reformen verwässert werden könnten.

Das Projekt passierte die Duma nur mit äußerst knapper Mehrheit. Beobachter sprechen bereits von der ersten empfindlichen parlamentarischen Schlappe für den Kreml. Schließlich konnte in der Vergangenheit die Putin-Partei „Einiges Russland“ nach ihrer Fusion mit mehreren Zentrumsfraktionen stets auf eine satte Mehrheit bauen – und die ist nun erstmals wieder in Gefahr. Vor genau diesem Trend hatten Politologen bereits seit längerer Zeit gewarnt: Ende dieses Jahres stehen Parlamentswahlen ins Haus. Dabei werden die Abgeordneten per Direktmandat gewählt. Und da hat dann leicht die Parteidisziplin das Nachsehen, wenn Volkes Stimmung nach billigen Mieten und Nebenkosten sowjetischen Angedenkens verlangt. Putin muss sich Sorgen machen: Denn schlechte Ergebnisse bei den Parlamentswahlen schlagen zwangsläufig auch bei den für März 2004 geplanten Präsidentschaftswahlen durch.

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