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Selbstbedienungsladen: HSH-Nordbank gab Aufsichtsräten zehn Millionen Euro Kredite

Der Hamburger Senat behauptet die Geschäfte seien "privater Natur". Ein SPD-Experte spricht von "Geschmäckle". Jetzt soll der Finanzausschuss die Konditionen prüfen.

Neue Fragen im Fall der finanziell schwer angeschlagenen HSH-Nordbank: Durch eine parlamentarische Anfrage der Hamburger SPD wurde jetzt öffentlich, dass Aufsichtsratsmitglieder der Länderbank – mit den Hauptanteilseignern Hamburg und Schleswig-Holstein – in den Jahren 2005 bis 2007 zehn Millionen Euro Kredite von dem Geldinstitut bezogen haben, das sie kontrollieren sollen.

Während der Senat mitteilte, die Geschäfte seien „privater Natur“, bleibt nach Ansicht des SPD-Finanzexperten Peter Tschentscher ein „Geschmäckle“. Der Bürgerschaftsabgeordnete fragt, wie eine Unabhängigkeit gewahrt sein kann, wenn es eine Geschäftsbeziehung mit der zu überwachenden Bank gibt, und fordert völlige Transparenz. Er sehe keine Privatsphäre mehr, weil es sich um eine überwiegend öffentliche Bank handelt.

In Sachsen hatte Ex-Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) 1996 und 1999 private Kredite der Sächsischen Landesbank in Höhe von 172.000 Euro in Anspruch genommen, um damit am Geldmarkt zu spekulieren. Er trat im Zuge der SachsenLB-Affäre 2008 zurück.

Vor diesem Hintergrund haben nun einige ehemalige und aktuelle Mitglieder des HSH-Aufsichtsrats mitgeteilt, dass sie keine HSH-Nordbank-Kunden seien beziehungsweise dort keine Kredite bezogen hätten; darunter Schleswig-Holsteins Innenminister Lothar Hay und sein Vorgänger Ralf Stegner (beide SPD), der Kieler Finanzminister Rainer Wiegard (CDU), Hamburgs Finanzsenator Michael Freytag und der frühere Hamburger Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (beide CDU). Trotzdem forderte der finanzpolitische Sprecher der Hamburger Linkspartei, Joachim Bischoff, den Rücktritt des Aufsichtsrats und titulierte diesen als „Selbstbedienungsladen“.

Zu Details der Kredite und deren Bezieher wollte der Senat keine weiteren Auskünfte erteilen, er habe Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Für den Finanzwissenschaftler Wolfgang Gerke handelt es sich bei der nicht verbotenen Kreditvergabe an Aufsichtsräte um „keine unübliche Praxis“. Man müsse nur im Auge haben, ob die Gelder zu marktüblichen Konditionen oder zu Sonderbedingungen zur Verfügung gestellt wurden, sagte Gerke. Genau dies interessiert auch Monika Heinold, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Kieler Landtag. Sie hat daher eine nichtöffentliche Sitzung des Finanzausschusses durchgesetzt, in der vertraulich über Details gesprochen werden soll. Sie möchte – gemäß einem Landesparteitagsbeschluss – in den Gremien ihrer Partei auf Bundesebene dafür werben, dass mit Ausnahme Berlins die Länder das Geschäftsmodell von Landesbanken aufgeben und dafür die Sparkassen als öffentlich-rechtliche Institute stärken.

Dieter Hanisch

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