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Politik: Selbstbewusst – oder selbstgefällig?

Die Republikaner prangern Kerry auf ihrem New Yorker Parteitag als Softie an

Es war kein Abend der Zimperlichkeiten. Amerikas Konservative verbiegen sich nicht. Vor dem Parteitag der Republikaner hatten viele Beobachter geglaubt, die „Grand Old Party“ werde sich in New York Samthandschuhe überstreifen und ein moderates Mäntelchen umhängen. Von wegen! Ganz offen trug sie ihre Überzeugungen zur Schau. Frontal wurde der Gegner attackiert. Zumindest eines sind die Rechten – authentisch.

Die brutalste Abrechnung mit John Kerry, dem Demokraten, präsentierte ausgerechnet ein anderer Demokrat. Zell Miller sitzt für den Südstaat Georgia im Senat. Er ist weißhaarig, 72 Jahre alt und treibt seine Parteikollegen zur Weißglut. Vor zwölf Jahren hielt er, ebenfalls im „Madison Square Garden“, die Keynote-Rede für Bill Clinton. In diesem Jahr will er zum ersten Mal in seinem Leben für einen Republikaner stimmen, Amtsinhaber George W. Bush. Den Demokraten wirft er vor, auf dem Feld der nationalen Sicherheit weich und wankelmütig zu sein. Der schlimmste von allen, so Miller, sei Kerry. 20 Jahre lang habe der Senator aus Massachusetts gegen alle wichtigen neuen Waffensysteme gestimmt. Die Opferbereitschaft der US-Soldaten werde von den Demokraten bis heute verhöhnt. „Sie sehen Amerika als Besatzer, nicht als Befreier.“ Ihm selbst sei die Sicherheit seiner Familie wichtiger als die Treue zu seiner Partei. Deshalb unterstütze er Bush, den „gottesfürchtigen Mann mit dem guten Herzen“.

Auch Vizepräsident Dick Cheney, der anschließend zu den rund 10 000 Delegierten spricht, zieht süffisant über Kerry her. Was entfacht im Publikum die stärksten Emotionen? Bei Miller wie Cheney sind es jene Passagen, die sich über den Vorwurf der Opposition lustig machen, die US-Regierung sei unilateralistisch. „Kerry will nur dann das Militär einsetzen, wenn die Vereinten Nationen zustimmen“, ruft Miller. Laute Buhrufe lassen die Halle vibrieren. Bush werde niemals die UN um Erlaubnis bitten, Amerikas Sicherheit verteidigen zu dürfen, sagt Cheney in seiner ruhigen, sonoren Art. Die Delegierten klatschen begeistert. Leidenschaftlich plädiert der Vizepräsident für Härte und Entschlossenheit. Wieder wird Bush in eine Reihe mit Roosevelt und Reagan gestellt – Amerikas Ikonen im Kampf gegen Faschismus und Kommunismus. „Wir befinden uns in einem Krieg, den wir nicht begonnen haben, den wir aber gewinnen müssen.“ Mit Kerry sei das nicht möglich. Der wolle einen „einfühlsameren“ Krieg gegen den Terrorismus führen – „als ob sich Al Qaida von unserer weicheren Seite beeindrucken ließe“, höhnt Cheney.

Wann immer Kerry attackiert wird, skandieren die Republikaner „flip-flop, flip-flop“. Dabei schwenken sie mit beiden Armen über dem Kopf rhythmisch von einer Seite zur anderen, wie ein Metronom. „Flip-flop“ steht für Wankelmut. Mit Kerry, das ist die Botschaft, käme ein linker Zauderer ins Weiße Haus. Hingegen „nennt Bush das Böse stets beim Namen“, sagt Cheney. Es ist Wahlkampf in Amerika. Da wird gekübelt und geklotzt. Vom Selbstbewusstsein zur Selbstgefälligkeit freilich ist der Weg oft kurz.

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