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Politik: Selbstbewusstes Sorgenkind

Das Saarland galt lange Zeit als grau, doch dann kamen Lafontaine und Müller / Heute wird ein neuer Landtag gewählt

Bei der Landtagswahl im Saarland an diesem Sonntag werden CDU und SPD wohl ihre Grenzen testen. Die einen nach oben, die anderen nach unten. CDU-Ministerpräsident Peter Müller hofft, die 49,1 Prozent seiner Partei von 1975 zu knacken. Sein Herausforderer Heiko Maas will vermeiden, dass seine SPD unter das schlechteste Ergebnis fällt, seit das Saarland 1957 zur Bundesrepublik beitrat: die 30 Prozent von 1960. Da war von Krise im Saarland noch nicht die Rede. Kohle und Stahl, wirtschaftliche Grundlagen der Region, waren noch profitabel. Doch die Region war so etwas wie die graue Maus in der Bundespolitik. Die CDU regierte unangefochten und unaufgeregt, dominiert von Franz-Josef Röder, der 20 Jahre – von 1959 bis 1979 – Ministerpräsident war.

Als Röder ging, hatte der Niedergang längst begonnen. Das kleinste Flächenland wurde größtes Sorgenkind der Republik. Ohne Geld aus Bonn ging nichts. 1985 kam Oskar Lafontaine. Mit seinem Amtsantritt als Regierungschef endete zumindest das politische Randdasein des Saarlands. Lafontaine scherte sich wenig um das schlechte Image des Landes, schuldenbelastet, wirtschaftlich träge, nicht innovativ. Vom Saarland aus sollten erst die SPD und dann die Bundesrepublik umgekrempelt werden. Rot-grüne Pläne gediehen dort, etwa der Ausstieg aus der Kernenergie. Plötzlich schaute ganz Deutschland an die Saar. Erst recht, als Lafontaine als SPD-Spitzenmann die Regierung Kohl zu ihrem Ende zu bringen gedachte.

Dabei hat das Saarland in der Bundespolitik wenig zu melden, mit 3 der 69 Stimmen im Bundesrat und nur 9 der 603 Sitze im Bundestag. Da gilt es, die numerische Schwäche durch Auftreten zu kompensieren. Das weiß auch Peter Müller, der 1999 Lafontaines Nachfolger Reinhard Klimmt knapp schlug. Politik ist auch Theater, hat Müller erkannt und nicht nur beim Zuwanderungseklat im Bundesrat in die Tat umgesetzt. Als ihn die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft 2003 zum „Ministerpräsidenten des Jahres“ kürte, wurde das mit einigem Brimborium zelebriert. Glaubt man Müller, hat sich das Saarland zur Boomregion gemausert. Ganz falsch ist das nicht: Dank der Milliardenhilfen gelang es Lafontaine und Müller, das Kohlenputtel herauszuputzen.

Ohne Geld aus Berlin geht freilich immer noch nichts. 497 Millionen musste der Bund 2003 zuschießen. Hoch verschuldet ist das Saarland immer noch. Auf 7420 Euro pro Einwohner belief sich der Pegelstand 2003. Mehr Schulden haben nur Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt. Doch wächst die Verschuldung nicht mehr so rapide wie einst. Die Standortqualität hat sich gebessert, auch wenn es mit der Wirtschaftskraft noch hapert.

Mit neuen Technologien versucht das Land, wieder Anschluss zu finden. Zwar ist es beim Pro-Kopf-Einkommen noch Schlusslicht im Westen, es verliert als einziges West-Land noch immer Einwohner. Doch wächst die Zahl der Arbeitslosen kaum noch, die Quote ist mit 9,5 Prozent mittlerweile besser als in Niedersachsen oder NRW. Beim Dynamik-Ranking der „Wirtschaftswoche“ lag das Saarland 2003 gar auf Platz eins und schaffte es dieses Jahr immerhin noch auf den fünften. Doch Lafontaine hin, Müller her – bis die Dynamik reicht, um vorn mitzuspielen, fließt noch viel Wasser die Saar hinunter.

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