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Update

Senegal: Der alte Präsident führt, muss aber in eine Stichwahl

Abdoulaye Wade ist 85 Jahre alt. Aber von der Macht will er nicht lassen. Deshalb hat er sich unter Beugung der Verfassung ein drittes Mal zur Wahl gestellt. Doch sein schärfster Konkurrent fordert ihn zum zweiten Wahlgang heraus.

Bis vor kurzem galt der Senegal als eine der wenigen Vorzeigedemokratien des Kontinents. Anders als die meisten anderen seiner 54 Staaten ist die frühere französische Kolonie seit der Unabhängigkeit im Jahre 1960 von Militärcoups und schweren inneren Unruhen verschont geblieben. Es gibt ein Mehrparteiensystem, vergleichsweise solide Institutionen, religiöse Toleranz und eine weitgehend freie Presse. Fast exemplarisch verlief vor 12 Jahren der erste echte Machtwechsel in dem westafrikanischen Land: Nach fast 40 Jahren ging die lange Herrschaft der Sozialistischen Partei ebenso abrupt wie demokratisch zu Ende. Der neue Präsident Abdoulaye Wade trat mit großen Plänen an – und geißelte die vielen afrikanischen Staatsführer, die sich an die Macht klammerten. Er selbst werde dies nicht tun, versicherte Wade damals. Bis zu dieser Wahl, in der er sich am Sonntag eine dritte Amtszeit ertrotzen wollte, die die Verfassung eigentlich nicht vorsieht. Nach ersten inoffiziellen Wahlergebnissen liegt Wade mit rund 32 Prozent zwar in Führung, doch sein früherer Premierminister Macky Sall erreichte 25 Prozent. Sall war der einzige der 13 Oppositionskandidaten, der im ganzen Land Wahlkampf gemacht hat. Der Bürgermeister der Stadt Fatick hatte sich mit Wade überworfen, als er in seiner Zeit als Premierminister Wades Sohn Karim zu einem Termin einbestellt hatte. Am Mittwoch stimmte Wade einer Stichwahl zu. Sie wird voraussichtlich am 8. März stattfinden. Wenig ist von den guten Absichten des mittlerweile 85-jährige Wade geblieben. Er ist auf dem besten Weg, zu einem der von ihm einst verachteten afrikanischen „Big Men“ zu mutieren. Statt nach seiner zweiten Amtszeit abzudanken wie die Verfassung dies vorschreibt, kandidiert Wade bei den Wahlen am Sonntag für eine dritte Amtszeit, an deren Ende er 90 Jahre alt wäre. Zur Rechtfertigung für seine Kandidatur führte Wade an, dass seine erste Amtszeit im Jahr 2000 vor dem Inkrafttreten der neuen Verfassung ein Jahr später gelegen habe – und deshalb nicht zähle. Unterstützung hat Wade vor vier Wochen durch ein Urteil des von ihm handverlesenen Verfassungsrates erhalten, der seiner Logik folgte und entschied, dass Wade noch einmal antreten dürfe. Zeitgleich untersagten die Richter dem Weltmusikstar Youssou N’Dour dessen Kandidatur für das höchste Staatsamt, und zwar mit der Begründung, dass N’Dour nicht genügend gültige Unterschriften dafür gesammelt habe. Zwar hätte der international bekannte Sänger nach Ansicht der meisten Beobachter keine ernsthaften Aussichten auf den Präsidentenposten gehabt, doch haben seine Kandidatur und mehr noch sein vom Gericht verfügter Ausschluss den Unmut der Bevölkerung gebündelt. Außerdem sind die Wahlen deshalb auch im Ausland auf weit mehr Resonanz gestoßen als erwartet.

Inzwischen liegt im Senegal sogar ein leichter Hauch von Arabischem Frühling in der Luft: So kam es im Anschluss an das kontroverse Urteil in der Hauptstadt Dakar zu bislang beispiellosen Straßenschlachten. Dennoch ist fraglich, ob die Opposition die notwendige Ausdauer mitbringt. Zum einen ist den meisten Menschen im Land der Frieden wichtiger als ein Verstoß des Präsidenten gegen die Verfassung. Zum anderen hat Frankreich als ehemalige Kolonialmacht bislang kein Machtwort gesprochen und Wade gewähren lassen. Empört hat viele Senegalesen aber vor allem, dass Wade eine Familiendynastie zu etablieren versucht: Sohn Karim ist bereits jetzt im Kabinett und Tochter Sindiely ist Beraterin des Präsidenten. Neben der Vetternwirtschaft ist auch die Korruption weit verbreitet. Die Experten von Transparency International geben Wade für die einst versprochene Korruptionsbekämpfung denkbar schlechte Noten: Fast die Hälfte der Betriebe gab in einer Umfrage an, nur durch Bestechung an Staatsaufträge zu kommen.

Symptomatisch für die Verschwendungssucht ist auch eine monströse, 52 Meter hohe und fast 20 Millionen Euro teure Statue, die 100 nordkoreanische Arbeiter und Ingenieure zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes errichteten. Senegalesische Handwerker, die zu den besten des Kontinents zählen, wurden an dem Projekt nur ganz am Rande beteiligt. Das Monument zeigt einen muskulösen Mann, der mit seiner Frau und einem Kind auf dem Arm aus einem Vulkanschlot steigt – und damit den Aufbruch Afrikas in eine besser Zukunft symbolisieren soll. Angeblich beansprucht Wade ein Drittel der erhofften Besuchereinnahmen, weil er das Konzept für das gigantische Bauwerk entworfen habe. In der Regierung ist man überzeugt, dass das auf einem Hügel über Dakar erbaute Monument schon bald zu einem ebenso großen Touristenmagneten werden könne wie die Freiheitsstatue in New York oder der Eiffelturm in Paris.

Mehr als 50 Jahre nach der Unabhängigkeit bleibt Senegal vor allem ein kleiner Erdnussproduzent – und trotz einiger neuer Straßen und Bürogebäude ein armes Land, in dem die Hälfte der Menschen unter der Armutsgrenze lebt. Die Arbeitslosigkeit verharrt seit langem bei fast 50 Prozent, das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei 20 Jahren. Kein Wunder, dass immer mehr verzweifelte Senegalesen auf Booten illegal nach Europa fliehen. Wade selbst ist mit seinem selbstherrlichen Auftreten längst zu einem der vielen Entwicklungshindernisse geworden. Der Enthüllungsjournalist Abdou Latif Coulibaly beschreibt den Präsidenten in einem Buch zwar als intelligent aber gleichzeitig beratungsresistent und sehr von sich eingenommenen. Sein Lebensziel sei es, eines Tages zu den großen afrikanischen Führern wie etwa Senegals Gründervater Leopold Senghor zu zählen.

Doch genau diesen Anspruch hat der mit einer Französin verheiratete Wade durch sein autokratisches Auftreten, und seine immer öfter am Parlament vorbei getroffenen Entscheidungen längst verwirkt. Bezeichnend für seinen extravaganten Politikstil ist ein Abschiedsgeschenk, das er vor zwei Jahren bei einem Abschiedsdinner dem scheidenden IWF-Landeschef übergab. Wie sich wenig später herausstellte, befand sich in dem Umschlag Bargeld im Wert von rund 140 000 Euro. Auf Nachfrage des IWF gestand Wade das Geldgeschenk. Es habe sich um ein „traditionelles Abschiedsgeschenk in Anerkennung der Leistungen des IWF-Mannes für Senegal" gehandelt, ließ er nach Angaben des IWF ganz offen wissen.

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