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Politik: Serbien-Krise: Im Kerker ist ein Zimmer für Milosevic frei

Vor dem Eingang zur Uzickastraße Nummer elf hält seit dem frühen Donnerstagmorgen eine verschworene Gruppe Wache. Die Nummer elf ist nicht irgendeine Adresse, sondern Domizil von Slobodan Milosevic.

Vor dem Eingang zur Uzickastraße Nummer elf hält seit dem frühen Donnerstagmorgen eine verschworene Gruppe Wache. Die Nummer elf ist nicht irgendeine Adresse, sondern Domizil von Slobodan Milosevic. Gegen die neugierigen Blicke schützen hohe Mauern. Die sind derzeit besonders nötig. Denn immer wieder fahren in diesen Tagen einheimische oder ausländische Fernsehteams in den Belgrader Nobelvorort hinaus, um wenigstens einen Blick auf den gesuchten Mann erhaschen zu können.

Der Hausherr könnte immerhin über eine der zahlreichen Videokameras das Geschehen vor seiner Tür verfolgen: "Ein Held gehört nicht ins Gefängnis, er wird verteidigt", stellt dort gerade einer der Anhänger des heute so einsamen Serben-Idols klar. Wenn schon, dann müsste der frühere US-Präsident Bill Clinton, der einst Serbien bombardieren ließ, ins Gefängnis. So zumindest die einhellige Meinung der Männer vor dem Haustor.

Man ist zusammengekommen, um Slobodan Milosevic vor der Verhaftung zu schützen. Ob das letzte Aufgebot des gestürzten Autokraten dazu reicht, ist allerdings fraglich. Hinter den hohen Mauern soll zwar noch eine Armee-Einheit für die Sicherheit des ehemaligen Präsidenten sorgen. Das behaupten zumindest jene beiden Polizisten, die an der Uzickastraße das Treiben vor dem Milosevic-Domizil offenbar eher belustigt verfolgen.

Fern vom Nobelvorort Dedinje, unten in der Stadt, scheinen jedoch die Meinungen gemacht: Die neue Regierung von Premier Zoran Djindjic hat die Öffentlichkeit bereits Schritt für Schritt auf die Verhaftung des starken Mannes von einst vorbereitet. Milosevic im Kerker, diese Vorstellung ist inzwischen für die meisten Serben kein Tabu mehr: Eine deutliche Mehrheit befürwortet laut einer Umfrage sogar, dass der gestürzte Autokrat auch wegen Kriegsverbrechen verfolgt wird.

Die Festnahme des gefürchteten Geheimdienstchefs Markovic vor einer Woche war das Signal, dass auch für Milosevic die Tage in der Freiheit gezählt sind. Rade Markovic, der Mann fürs Grobe von einst, soll als Belastungszeuge das Terrain für die Festnahme des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten vorbereiten. Noch schweige der grimmige Chef der Staatssicherheit, wissen die Belgrader Medien am Donnerstag. Doch bis zum 10. März, so wird in der Hauptstadt gemunkelt, könnte Milosevic hinter Gitter sein. Im Zentralgefängnis an der Bacvanskastrasse sei bereits eine ganze Etage für die alte Nomenklatura freigeräumt.

Die Beamten am Tor des Zuchthauses für Schwerverbrecher halten solche Medienspekulationen für einen "Witz". Auch die Belgrader Zeitung "Danas" amüsiert sich in einem Kommentar über die Gerüchte - um dann aber selber noch kräftig nachzulegen. Slobodan Milosevic selbst habe die Renovierung des Zellentrakts noch vor seinem Sturz am 5. Oktober angeordnet. Die Zellen seien damals wohl für die "verräterische Opposition" gedacht gewesen. Diese Opposition ist heute allerdings an der Macht und schickt sich an, den starken Mann von einst festzunehmen.

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