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Kosovaren mit der albanischen Flagge im Hintergrund demonstrieren in Mitrovica gegen die Gespräche zwischen Serbien und dem Kosovo.

© dpa

Serbien und Kosovo: Historische Einigung oder Diktat von außen?

Die serbischen und kosovarischen Regierungen müssen eine Lösung für den Nordkosovo finden. Auch die EU macht Druck. Das missfällt vor allem in Serbien.

Zagreb - Wenn sich die Regierungschefs von Serbien und dem Kosovo, Ivica Dacic und Hashim Thaçi, an diesem Dienstag treffen, ist wieder viel Geschichte im Spiel. Es geht um den Norden des Kosovo und die Rechte der dort lebenden Serben. Der serbisch-orthodoxe Bischof Amfilohije schimpfte vor dem Termin, Europa verfolge die Fortsetzung der Tyrannei von Sultan Murat und der fünfhundertjährigen Herrschaft der Osmanen. Europa wolle den Kosovo beherrschen und habe bereits durch die Bombardierung Serbiens im Jahr 1999 „seinen Eroberungstrieb“ gezeigt, „wie wir ihn von den Kreuzzügen und den habsburgischen und faschistischen Märschen“ kennen. Serbien als Opfer anderer Mächte – was der Bischof bemühte, ist ein verbreitetes Gefühl in der Bevölkerung.

In Wahrheit tut sich die Politik in diesen Tagen in Serbien schwer, einen Kompromiss zu den Autonomierechten der Serben im Nordkosovo zu vermitteln. Hat man doch öffentlich in den vergangenen Jahren ständig betont, dass der Kosovo zu Serbien gehöre, obwohl Serbien de facto seit der Nato-Intervention 1999 keine Autorität mehr in dem Land hat, das sich 2008 für unabhängig erklärt hat. Die EU soll serbischen Medien zufolge nun einen neuen Kompromiss vorbereiten: Belgrad soll demnach auch Garantien erhalten, dass kosovarische Streitkräfte nicht im Norden stationiert sein dürfen.

Der Vizedirektor des serbischen Regierungsbüros für den Kosovo, Krstimir Pantic, droht allerdings bereits damit, dass ein eigenes Parlament der nordkosovarischen Gemeinden gebildet werden könnte. Man werde möglicherweise auch den Internationalen Gerichtshof um eine Stellungnahme bitten, sagte Pantic. Aber auch von serbischen Medien wird vor dem entscheidenden Verhandlungstag in Brüssel Druck gemacht. Die Belgrader Zeitung „Novosti“ schrieb, die Politik Deutschlands setze „Erpressung und Ultimatum für die Serben auch im 21. Jahrhundert“ ein. Das Ultimatum – Serbien muss in diesen Tagen einem Kompromiss zustimmen, sonst bekommt es kein Datum für den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen – sei schlimmer als jenes 1914 seitens der Habsburger, das den Ersten Weltkrieg auslöste, zitierte die Zeitung einen Historiker.

Am 16. April wird die EU-Kommission ihre Fortschrittsberichte zu den Kandidatenstaaten veröffentlichen. Wenn bis dahin kein Kompromiss erreicht wird, könnte es sein, dass Serbien für längere Zeit die Beitrittsverhandlungen nicht beginnen kann. Noch hofft man auf einen Termin Ende Juni.

In der Sache geht es darum, welche Rechte die Serben im Nordkosovo bekommen sollen – die kosovarische Verfassung sieht eine weitgehende Autonomie in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Kultur vor. Auch ein Verband der vier serbischen Gemeinden ist möglich, allerdings kein eigenes regionales Parlament für den Nordkosovo, auch keine Regierung, Polizei und Justiz, wie dies Serbien fordert. Stattdessen soll der Nordkosovo auch nach dem Willen der EU in die Strukturen des kosovarischen Staates unter Einbeziehung der EU-Rechtsstaatsmission Eulex integriert werden. Genau dagegen sträuben sich aber die Führer im Nordkosovo.

Die Bürgermeister im Norden haben allen Grund, für den Status quo zu kämpfen, denn das Fehlen von staatlicher Kontrolle hat dazu geführt, dass viele Leute vom Benzinschmuggel profitiert haben. Die bisherigen Zahlungen aus Belgrad – viele bekommen ein Gehalt, obwohl sie bereits seit Jahren keiner Arbeit mehr nachgehen – sind für manche ebenfalls ein Anreiz, sich jeglicher Veränderung entgegenzustellen. Bisher konnte auch die Eulex im Nordkosovo nicht Fuß fassen. Erst vergangene Woche konnte sie ein Urteil nicht verkünden, weil serbische Demonstranten Eulex-Vertretern den Zugang zum Gericht versperrten.

Auch in Prishtina, wo eine Regierung unter der Führung der ehemaligen Rebellen der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK an der Macht ist, wächst aber der Druck. Die oppositionelle Partei Vetëvendosje von Albin Kurti verlangt ein Durchgreifen der kosovarischen Behörden, die bisher im Nordkosovo nichts zu sagen haben. Doch auch wenn sich die Rhetorik seitens nationalistischer Protagonisten in den vergangenen Wochen verschärfte, so sind doch die Regierungen näher an einem Kompromiss als jemals. Serbiens Vizepremier Aleksandar Vucic sprach am Wochenende von einer „historischen Einigung“. „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, wir müssen eine Vereinbarung erreichen“, sagte Vucic. In Diplomatenkreisen herrscht indes die berechtigte Sorge, dass eine Kompromisslösung zwar erzielt werden kann, diese allerdings – wie bereits andere Vereinbarungen zwischen dem Kosovo und Serbien – nicht wirklich umgesetzt werden und die internationale Gemeinschaft wieder einmal „wegschaut“. Adelheid Wölfl

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