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Serbien

© dpa

Serbien vor der Abstimmung: "Wahl zwischen Fortschritt und Isolation"

Am Sonntag wird es eng bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in Belgrad. Es geht um eine serbische Zukunft mit oder ohne Europa.

Die Stichwahl zwischen Amtsinhaber Boris Tadic und seinem Herausforderer Tomislav Nikolic um das Präsidentenamt in Serbien ist die offenste Wahl in der Geschichte des Landes. Noch nie war ein Rennen zwischen zwei Kandidaten so eng. Noch nie war der Wahlausgang so ungewiss. Derjenige, der am Sonntag die meisten Stimmen der 6,7 Millionen Wähler auf sich vereint, gibt die Richtung des Landes bis 2013 vor: Unter Tadic ginge es weiter in Richtung Europa, mit dem Ultranationalisten Nikolic genau in die entgegengesetzte, nach Russland. Außenminister Vuk Jeremic bezeichnete den zweiten Wahlgang deshalb als "Referendum" für oder gegen Europa.
  
Schätzungen zufolge wird am Sonntag jeder zweite Serbe seine Stimme abgeben. Doch wem die leichte Steigerung der Wahlbeteiligung im Vergleich zum ersten Wahlgang vor zwei Wochen nützen wird, wagen Forschungsinstitute kaum vorherzusagen. Jüngste Umfragen gehen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Rivalen aus, mit einem hauchdünnen Vorsprung für Tadic von der Demokratischen Partei (DS). Dabei hatte der Europaskeptiker Nikolic von der Serbischen Radikalen Partei (SRS) im ersten Wahlgang die Nase vorn: Mit etwa 40 Prozent der Stimmen schlug er Tadic vor zwei Wochen um knapp fünf Prozentpunkte.

Brüssel will Tadic

  
Beim einzigen Fernsehduell wenige Tage vor dem alles entscheidenden Urnengang setzte Tadic noch einmal alles auf die europäische Karte: "Nur eine Politik der Integration in die EU wird Serbien erlauben, sich weiterzuentwickeln", sagte er. Auch Brüssel macht keinen Hehl daraus, dass es trotz des Streits um die Zukunft des Kosovo lieber Tadic an der Spitze Serbiens sehen würde. Wie Nikolic ist auch er gegen die Unabhängigkeit der Provinz, doch würde er sein Land dennoch auf EU-Kurs halten. Für eine "bessere Zukunft", wie Tadic es sagte, will er Serbien Schritt für Schritt an die europäische Staatengemeinschaft heranführen.
  
Den Europaskeptiker Nikolic zieht es hingegen in die andere Himmelsrichtung. Während seiner 17-jährigen politischen Karriere habe er immer dafür gekämpft, dass sich die Politik seines Landes nach Russland wendet, sagte er bei einem Besuch in Moskau, das in der Kosovo-Frage an der Seite Serbiens steht. Die USA und mehrere EU-Staaten haben dagegen angekündigt, die Provinz als Mini-Staat anzuerkennen, wenn sich diese wie erwartet in den kommenden Wochen einseitig für unabhängig erklären sollte.

Nicolic: Kein EU-Beitritt ohne das Kosovo

  
Ein EU-Beitritt ohne das Kosovo käme für ihn nicht in Frage, sagte Nikolic während des TV-Duells. Sollte er das Präsidentenamt übernehmen, würde er die Tür zur EU zwar nicht ganz zuschlagen, aber bei einer Abspaltung der Provinz sei ein Beitritt mit ihm nicht zu machen. Außerdem gebe es zahlreiche "Hindernisse" auf dem Weg gen Westen, konstatierte er.
  
Vojislav Kostunica, der serbische Ministerpräsident, wollte keine Wahlempfehlung für Sonntag abgeben. Zwar hätte die eigentlich erwartete Unterstützung von Tadic dessen Chancen auf einen Sieg erheblich erhöht, Kostunica verweigerte seinem Koalitionspartner jedoch wegen eines politischen Streits seinen Rückhalt. Die Demokratische Partei Serbiens (DSS) Kostunicas, die neben Tadics Partei zu den stärksten Kräften in der Regierungskoalition gehört, wollte aber auch Nikolic nicht beispringen. Das Volk solle selbst entscheiden, sagte er am Mittwoch in Belgrad.

André Birukoff[AFP]

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