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Politik: Serbische Führung schreibt an Fischer / Belgrad will Friedensplan der G 8 akzeptieren

BONN/BERLIN/BRÜSSEL .Nach zehn Wochen Kosovo-Krieg stehen die Bemühungen um einen Verhandlungsfrieden möglicherweise an einem Wendepunkt.

Von Robert Birnbaum

BONN/BERLIN/BRÜSSEL .Nach zehn Wochen Kosovo-Krieg stehen die Bemühungen um einen Verhandlungsfrieden möglicherweise an einem Wendepunkt.Außenminister Joschka Fischer sagte am Dienstag in Berlin, die nächsten Tage würden entscheiden.Sollten diese Bemühungen scheitern, werde der Krieg eskalieren.Jugoslawien erkannte in einem Brief an Fischer die Prinzipien der G-8-Staaten für eine Friedenslösung an, forderte aber eine Feuerpause der Nato.Der EU-Vermittler Ahtisaari und der russische Sonderbeauftragte Tschernomyrdin wollen heute in Belgrad die Ernsthaftigkeit der Angebote prüfen.

Westliche Diplomaten verbreiteten den Eindruck, daß die Signale der Gesprächsbereitschaft aus Belgrad diesmal ernst gemeint sein könnten.In dem dem Tagesspiegel vorliegenden Schreiben an Fischer, das am Dienstag in Bonn einging, legte der jugoslawische Außenminister Jovanovic nicht im Detail dar, wie sich die Führung um Präsident Milosevic eine Friedenslösung vorstellt.Jugoslawien habe die Prinzipien der sieben führenden westlichen Staaten und Rußlands (G 8) akzeptiert, "eingeschlossen eine Präsenz der Vereinten Nationen, ein Mandat und andere Elemente einer Resolution des UN-Sicherheitsrats"."Notwendig" für eine erfolgreiche Lösung sei aber ein sofortiger Bombardierungsstopp.Jovanovic warf der Nato "systematische Tötung von Zivilisten und Zerstörung ziviler Einrichtungen" vor.Fischer wertete den Brief als "ein wichtiges Signal", verwies aber auf den sehr allgemein gehaltenen Inhalt.Sein Staatssekretär Ischinger hatte sich noch am Morgen in Kiew sehr optimistisch geäußert."Eine befristete Feuerpause ist zum Greifen nahe", sagte Ischinger.Hingegen sagte Verteidigungsminister Scharping, er rechne nicht mit einer Lösung in wenigen Tagen.

Äußerungen jugoslawischer Offizieller ließen bei westlichen Regierungen den Verdacht aufkommen, daß Belgrad weiter auf Forderungen beharrt, die die Nato schon früher abgelehnt hat.Ein Befehlshaber der im Kosovo eingesetzten Armee, Pavkovic, sagte, die jugoslawische Armee müsse in Vorkriegsstärke dort stationiert bleiben.Zudem dürfe eine internationale Friedenstruppe nicht aus Soldaten der Länder bestehen, die aktiv in den Krieg verwickelt seien.

Der finnische Präsident Ahtisaari, Tschernomyrdin und der US-Sonderbeauftragte Talbott trafen sich derweil bei Bonn.Tschernomyrdin hatte nach eigenen Worten einen neuen Friedensplan im Gepäck, dessen Details jedoch zunächst nicht bekannt wurden.Er unterstrich aber: "Wir haben große Hoffnung, daß es bald Frieden geben wird."

Die Nato mußte abermals einen Fehltreffer auf ein Wohngebiet einräumen.In Novi Pazar starben nach jugoslawischer Darstellung 23 Menschen.Am Nachmittag schlugen zum zweiten Mal binnen weniger Stunden in der Nähe des albanischen Grenzpostens Morina zum Kosovo Nato-Bomben ein.Die Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker legte einen Bericht vor, in dem sie schätzt, daß bis zu 30 000 Menschen im Kosovo direkt oder indirekt als Opfer der Vertreibungspolitik umgekommen sind.Befragungen von Flüchtlingen ließen den Schluß zu, daß bei Massenhinrichtungen bis zu 3000 Kosovo-Albaner getötet worden seien.Scharping kündigte an, ab Donnerstag sollten Hilfsgüter über dem Kosovo abgeworfen werden.Sie sollen von Flugzeugen abgeworfen werden, die eine regierungsunabhängige US-Organisation chartern wolle.

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