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Ein Aufkleber mit der Aufschrift "Sexistische Kackscheisse" lässt keinen Zweifel an der Einstellung zu.

© dpa

Sexistische Werbung: Nackt und doof

Die SPD will sexistische Werbung verbieten. Ist das illiberal? Nein, ganz so unmöglich, wie ihn die Kritik gemacht hat, ist der Vorschlag nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Bundesjustizminister Heiko Maas möchte das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ändern, es geht um sexistische Werbung. Anzeigen, welche die Dargestellten auf Sexualobjekte reduzieren, würden danach untersagt werden können. In Streitfällen sollen die Gerichte entscheiden.

Der Vorstoß hat die erwarteten Prügel bezogen. Jeder, der das Wort „liberal“ buchstabieren kann, muss auf eine solche Initiative erst einmal sehr empfindlich reagieren. Viele fühlen sich an die grüne Idee vom Veggie-Day erinnert. Ein Kantinentag, einmal in der Woche, nur mit Gemüse? Bevormundung. Absurd.

Andererseits muss man sich nur einmal in eine Kantinenschlange stellen, um zu beobachten, wie die Leute sich auf alles stürzen, was nicht nach Fleisch aussieht. Der Veggie-Day findet zunehmend Anklang in Uni-Mensen. In städtischen Milieus, die für sich in Anspruch nehmen, tonangebend zu sein, hat sich korrekte Ernährung mitunter schon zur Obsession entwickelt. Gut gegen böse, gesund gegen ungesund. Manche warnen schon vor „Orthorexie“, vor Zwangsverhalten, das zu Mangelerscheinungen führen kann. Der Veggie-Day, den die Grünen einst forderten, ist folglich nichts gegen die Veggie-Mania, die viele Menschen längst ergriffen hat.

Ähnlich verhält es sich mit sexistischer Werbung. Wir haben es schon verinnerlicht, sie abzulehnen. Im öffentlichen Raum wirkt sie oft deplatziert. Als Anzeige in Magazinen auch. Sie ist selten originell. Brust, Beine, Po, dazu ein billiger Spruch, der das Arrangement irgendwie mit Produkten oder Dienstleistungen verbinden soll. Ein Ärgernis.

Der optische Reiz eines Busens ist schwer zu übertreffen

Allerdings eines, das wirkt. Der optische Reiz eines Busens ist schwer zu übertreffen. Ein Hingucker, auch für Damen. Nur deshalb gibt es den Mist noch. Fiele der sexistisch inszenierte blanke Werbebusen jetzt weg, blieben noch die Presse- und Internetbusen, die Freibadbusen, der Partnerbusen, bei immerhin der Hälfte der Bevölkerung der eigene Busen und nicht zuletzt der bekleidete Busen. Eine Einschränkung also, die wohl verschmerzbar wäre.

Kaum Zweifel auch, dass hier Botschaften transportiert werden, die einsickern: Frauen sind verfügbar. Fasst sie an! Nehmt sie euch! Ein ungutes Gefühl dabei ist deshalb keine irre Feminismus-Klamotte.

Den Freiheitsverteidigern sei auch das Grundgesetz ans Herz gelegt. „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“, steht in Artikel drei. Es handelt sich nicht um Verfassungsgeschwafel, sondern um einen Programmsatz. Überkommene Rollenverteilungen sollen überwunden werden, so hat es das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Schießt der Minister über das Ziel hinaus? Ist der Werbewirtschaft wirklich unzumutbar, sich Besseres einfallen zu lassen? Oder haben wir vielleicht zu viel Pädagogik im Grundgesetz?  Das alles wäre zu erörtern, nur: So unmöglich, wie ihn die Kritik gemacht hat, ist der Vorschlag nicht.

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