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Sexueller Missbrauch: "Jahrelang gegen Wände geschrien"

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, sieht ein erschütterndes Ausmaß sexueller Gewalt in der gesamten Gesellschaft.

Berlin - Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, sieht ein erschütterndes Ausmaß sexueller Gewalt in der gesamten Gesellschaft. Bergmann forderte am Dienstag in Berlin ein gesellschaftliches Umdenken und die Ächtung dieser Verbrechen. Täterschutz dürfe „nicht länger vor Opferschutz stehen“. Die Betroffenen drängten mit Recht auf eine schonungslose Benennung der Täter und der Tat sowie eine Anerkennung des Unrechts.

Die Regierung hatte das Amt der Beauftragten Ende März nach Bekanntwerden hunderter Fälle sexueller Gewalt gegen Minderjährige in kirchlichen und anderen Erziehungseinrichtungen ins Leben gerufen und dafür die frühere SPD-Bundesfamilienministerin Bergmann berufen. Seit dem 28. Mai können sich Betroffene bei ihr auch telefonisch melden.

Seitdem registrierte Bergmann mit 60 Mitarbeitern bereits mehr als 1000 Anrufe und Briefe. Davon habe sich jeder dritte Missbrauchsfall in einer kirchlichen, „vor allem katholischen“ Einrichtung ereignet. Ein weiteres Drittel entfalle auf sonstige Institutionen. Die Übrigen berichteten von sexuellem Missbrauch im familiären Umfeld oder „im sozialen Nahbereich“, berichtete Bergmann. Nach ihren Angaben melden sich ebenso viele Frauen wie Männer. Die Altersspanne der Anrufer reiche von 17 bis 79 Jahren, der Durchschnitt liege bei 50 Jahren. Während Jungen häufiger im kirchlichen Umfeld Opfer sexueller Gewalt geworden seien, seien in therapeutischen Einrichtungen häufiger Mädchen betroffen. Missbrauch in Familien treffe Frauen in ihrer Kindheit nach den bisher erfassten Fällen doppelt so häufig wie Männer. Fast 90 Prozent der Opfer geben an, dass sie Missbrauch wiederholt oder mehrfach erlebt hätten. Betroffene hätten „jahrelang gegen Wände geschrien“ oder wollten „diesen Klumpen“ loswerden, seien aber noch nicht gehört worden, sagte Bergmann – mehr als 60 Prozent der Anrufenden hätten sich noch nie jemandem anvertraut. KNA

www.beauftragte-missbrauch.de

Hotline (08 00) 2 25 55 30

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