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© dpa

Sicherheit: Im Bund mit dem Kreml

Medwedews Idee einer euro-atlantischen Sicherheitsarchitektur gewinnt immer mehr Anhänger – auch Berlin zeigt sich offen.

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Der Fünf-Tage-Krieg in Georgien war gerade erst drei Monate vorbei, da machte Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy eine überraschende Versöhnungsgeste in Richtung Russland: Bei einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Dmitri Medwedew in Nizza Mitte des vergangenen Monats schlug er für den kommenden Juni einen Gipfel der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vor. Die Organisation hat 56 Teilnehmerstaaten, ihr gehören sowohl Russland als auch die USA an. Bei dem geplanten Gipfel im kommenden Jahr soll es um nichts Geringeres als eine neue euro-atlantische Sicherheitsarchitektur gehen.

Der Plan dieser neuen Architektur geht auf Medwedew zurück, und entsprechend skeptisch reagierten, gerade nach dem russischen Einmarsch in Georgien, einige OSZE–Mitgliedstaaten auf Sarkozys Geste der ausgestreckten Hand. Schließlich hatte Frankreichs Präsident auch für ein Moratorium beim geplanten US-Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien plädiert – doch diese Forderung aus Frankreich betrachteten beide osteuropäischen Länder als eine unerbetene Einmischung.

Trotzdem findet der Annäherungskurs, den der amtierende EU-Ratschef im Verhältnis zu Russland vorgeschlagen hat, inzwischen immer mehr Anhänger. In der zurückliegenden Woche erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), dass nach Frankreich jetzt auch Deutschland bereit sei, mit Moskau über den Vorschlag einer neuen „europäischen Sicherheitsarchitektur“ zu reden. Und auch die Nato zeigte zumindest Gesprächsbereitschaft: Die Partner des Militärbündnisses sind zu einem Dialog mit der OSZE über Sicherheit und neue Bedrohungen bereit – so steht es im aktuellen Abschlusskommuniqué der Nato-Außenminister. Gleichzeitig machte Nato-Generalsekretär Jaap De Hoop Scheffer aber auch klar: „Es besteht nicht der Hauch einer Chance, dass die Nato wegverhandelt wird.“

Viele der Nato-Außenminister, die noch bis zum Mittwoch in Brüssel zusammensaßen, werden sich beim OSZE-Ministertreffen an diesem Donnerstag in Helsinki wiedersehen. Dort steht am Mittag ein erster Gedankenaustausch über die Zukunft einer gesamteuropäischen Sicherheitsordnung auf dem Programm. Es sei sehr wichtig, dass nun ein offener Dialog entstehe und Medwedews Idee genau geprüft werde, heißt es in Berlin. Dort erwartet man nun russische Vorschläge. Die Aufnahme der Gespräche bedeute aber keineswegs, dass deshalb die bewährte Sicherheitsstruktur mit EU, Nato und OSZE zur Disposition stehe.

Russland gilt derzeit als wichtiger Gesprächspartner. Von dieser Tatsache ließ sich wohl auch Moskaus Nato-Botschafter Dmitri Rogosin leiten, als er in einem Interview mit der Moskauer Zeitung „Kommersant“ in gewohnt unverblümter Sprache erklärte, für die Nato seien die Beziehungen mit Russland heute wichtiger als eine Integration Georgiens und der Ukraine in das Bündnis. Zuvor hatte die Militärallianz bei dem Außenministertreffen in Brüssel einem beschleunigten Aufnahmeverfahren für die beiden Ex-Sowjetrepubliken eine Absage erteilt – obwohl sich US-Außenministerin Condoleezza Rice dafür stark gemacht hatte.

Die Entscheidung wirkt für die Nato-Ambitionen der beiden Staaten zwar wie ein Dämpfer – aber dafür gab es für sie am Mittwoch immerhin ein positives Signal aus Brüssel. Georgien und die Ukraine gehören zu den sechs östlichen Nachbarländern der Europäischen Union, die die EU-Kommission mit einer „Ost-Partnerschaft“ stärker an die Gemeinschaft binden will. Bereits im Mai – also noch vor dem Georgien-Krieg – hatten Polen und Schweden vorgeschlagen, ehemalige Sowjetrepubliken zu unterstützen. Aber erst nach dem Krieg entschloss sich die EU-Kommission zur Hilfe im großen Stil. Sie will den sechs Staaten im Osten bei demokratischen Reformen beistehen, Energiesicherheit gewährleisten und Freihandelszonen einrichten. Neben Georgien und der Ukraine sollen auch Moldawien, Armenien und Aserbaidschan von dem Programm profitieren. Weißrussland, für dessen autoritär regierenden Staatschef Alexander Lukaschenko bis zum Oktober ein Einreiseverbot in der EU galt, könnte ebenfalls dazugehören. Nach den Worten der Brüsseler EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner muss Weißrussland allerdings noch sehr viel tun, um in den Genuss der „Ost-Partnerschaft“ zu kommen.

Die ehemaligen Sowjetrepubliken, mit denen die EU ihre Zusammenarbeit nun intensivieren will, können zwar trotz des Programms nicht auf eine EU-Mitgliedschaft hoffen. Dafür haben sie die Aussicht auf erhebliche finanzielle Mittel: 600 Millionen Euro will sich die Kommission die Ost-Partnerschaft zwischen 2010 und 2013 kosten lassen.

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