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Bundesinnenminister Thomas de Maizière.

© Tobias Schwarz/AFP

Sicherheit in Deutschland: De Maizière schießt über das Ziel hinaus

Der Bundesinnenminister verlangt in der Sicherheitspolitik mehr Macht für den Bund. Aber der stärker zentralisierte Staat ist nicht zwangsläufig der stärkere Staat. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Da will ja wohl jemand den Bock zum Gärtner machen. Ausgerechnet Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der in der Flüchtlingskrise 2015/16 nicht immer den besten Eindruck hinterließ, fordert einen größeren Umbau der Sicherheitsbehörden - mit mehr Macht für den Bund, also für sich. Ausgerechnet de Maizière, der verantwortlich ist für die organisatorische Hilflosigkeit des Bundesamtes für Migration, will die Zuständigkeiten des Bundes ausweiten.

Und ausgerechnet er plädiert für eine „nationale Kraftanstrengung“ bei Abschiebung und Durchsetzung der Ausreisepflicht – bei der sich die Länder seit Langem vom Bund im Stich gelassen fühlen.

Wählt de Maizière den Angriff, weil er die Verteidigung vernachlässigt hat? Sein Vorstoß „für einen starken Staat in schwierigen Zeiten“ wirkt wie eine Selbstbefreiungsaktion. Dass er die Aufstellung der Sicherheitsorgane, von Polizei und Verfassungsschutz, in Frage stellt, ist für sich genommen nicht kritikwürdig. Ob das Zusammenwirken von Behörden in einem Bundesstaat klappt, wie es gegebenenfalls zu verbessern ist – das müssen die Verantwortlichen in Bund und Ländern immer im Blick haben. Dass Zentralisierung, wie sie de Maizière jetzt möchte, dabei stets der richtige Weg ist, darf man aber bezweifeln.

Jedenfalls ist die Pauschalität, mit der nun ausgerechnet der oft unglücklich agierende Bundesinnenminister an diesen Umbau der Sicherheitsarchitektur herangehen will, wenig überzeugend. Der Rundumschlag war noch selten die richtige Antwort auf eine Herausforderung.

Handlungsfähige Zentralfigur?

Der CDU-Politiker, der einmal als potenzieller Kanzler galt, will sich als handlungsfähige Zentralfigur darstellen. Doch die Reaktionen aus den Ländern und auch aus der Bundesregierung selbst zeigen, dass man de Maizière diese Rolle nicht zubilligt.

So wirkt der Vorstoß, der über das Ziel hinausschießt, eher als vorletzte Aktion eines mittlerweile in vielen Ämtern verbrauchten Politikers denn als echter Anstoß für eine sicherlich legitime Sicherheitsdebatte. Zumal wenn man, wie de Maizière, seine Vorschläge um Ladenhüter wie den Einsatz der Bundeswehr im Inneren anreichert, eine im Zusammenhang mit der Terrorabwehr überflüssige Zentralisierung beim Katastrophenschutz fordert und die breit angelegte Telekommunikationsüberwachung einer gesamten Bevölkerung mit den steuerlichen Buchführungspflichten von Unternehmen vergleicht.

Und dann rennt de Maizière auch noch offene Türen ein. Eine Bundeszuständigkeit für Abschiebungen wird ihm kein Landesminister grundsätzlich streitig machen; die hätte sich der Bund ohne größere Widerstände im Bundesrat längst holen können. Besserer Austausch von Informationen zwischen Sicherheitsbehörden wird schon praktiziert, zum Beispiel im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum. Selbst die Übernahme des gesamten Verfassungsschutzes in Bundeshoheit ist vorstellbar und brächte den Bundesstaat nicht ins Wanken.

Aber kann de Maizière wirklich garantieren, dass die Verfassungsschutzpannen der vergangenen Jahre (NPD oder NSU) so vermieden worden wären? Vernünftigerweise kann er das nicht, weil hier auch menschliches Versagen eine Rolle spielte. Das zentralisiert man besser nicht.

Eine kooperative, föderale Sicherheitsstruktur hat zweifellos ihre Defizite. Aber ein deutlicher Vorteil ist, dass mehr Verantwortliche auch für gegenseitige Kontrolle stehen und gegenseitige Unterstützung. Gerade im Sicherheitsbereich kann das nützlicher sein als eine hierarchische Struktur mit Oberkommandofunktion beim Bund. Der von de Maizière geforderte stärkere Staat ist nicht zwangsläufig der stärker zentralisierte Staat.

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