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Sicherheitskonferenz: Eine Nato der schnellen, globalen Einmischung

Die Nato soll weltweit für Sicherheit zuständig sein, fordert Generalsekretär Rasmussen in München. Zu Guttenberg will mehr Prävention und am Einstimmigkeitsprinzip rütteln.

Die Nato will in Sicherheitsfragen künftig weltweit eine Rolle spielen. Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen plädierte bei der Sicherheitskonferenz in München für neue Partnerschaften mit Ländern wie China, Indien und Pakistan. Die Nato müsse ein Forum für globale Sicherheitsfragen werden. Dies bedeute nicht, dass sie rund um die Welt militärisch aktiv sein wolle, sagte Rasmussen.

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sagte bei der Konferenz, die Nato müsse effektiver werden. "Wir reden zu viel und wir erreichen zu wenig." Das Bündnis müsse weiter am Konsensprinzip festhalten, doch solle dies nicht immer Einstimmigkeit bedeuten. "Koalitionen der Willigen jedenfalls können Konsens und Konsultationen nicht ersetzen. Ihnen gehört deshalb auch nicht die Zukunft. "

Zu Guttenberg plädierte zudem für eine Ausweitung der Nato-Befugnisse. Mancher großangelegte Nato-Einsatz würde möglicherweise unnötig, wenn das Militärbündnis schon frühzeitig die Sicherheitskräfte in terrorbedrohten Staaten ausbilden und unterstützen könnte, sagte er auf der Konferenz. Er denke dabei etwa an die rasch wechselnden Rückzugsgebiete von Terrorgruppen in Afrika.

Die Nato solle weder mit den Vereinten Nationen konkurrieren noch zur Weltpolizei werden, betonte der Minister. "Gleichwohl sollte man darüber reden, ob in gewissen Fällen durch gezieltes Training, die Beschränkung auf die reine, sehr zeitraubende Reaktion vermieden werden könnte."

Im November will das Bündnis in Lissabon eine neue Strategie beschließen. Dabei geht es vor allem um die Frage nach den künftigen Hauptaufgaben der Militärallianz. "Das Bündnis sollte eine Drehscheibe für ein Netzwerk von Sicherheitspartnerschaften und ein Beratungszentrum für internationale Sicherheitsfragen werden. Auch über Fragen, in denen die Nato niemals aktiv wird", forderte Generalsekretär Rasmussen in München. Niemand werde verlieren, wenn die Nato enger mit anderen Institutionen und Staaten zusammenarbeite, sagte er. "Wem würde es denn schaden, wenn China, Indien, Pakistan und andere engere Beziehungen zur Nato hätten?", fragte der Generalsekretär. "Es gäbe hinsichtlich Vertrauensbildung und Zusammenarbeit nur Gewinner. Wir reden hier über Nationen, die formell oder informell über Sicherheitsfragen beraten, nicht mehr."

Mit Staaten wie China und Russland müsse eine Dialogbasis gefunden werden, forderte auch zu Guttenberg. Die Zusammenarbeit zwischen der Nato und der Europäischen Union bleibe zudem hinter den Möglichkeiten zurück. Das Bündnis brauche ferner ein Gremium jenseits des Nato-Rats, in dem über politische Fragen diskutiert werden könne.

"Die Nato sollte kein globaler Akteur sondern ein Akteur in einer globalen Welt sein", sagte der Oberkommandeur, US-Admiral James Stavridis. Er forderte in der künftigen Strategie eine neue Balance zwischen "harter" militärischer Macht und "weicher" politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme.

Die Nato-Staaten müssten die Frage beantworten, wie und wo ihre Streitkräfte eingesetzt werden sollten, erklärte auch Guttenberg. Der Schutz des eigenen Territoriums und der Bündnisgrenzen allein werde heutigen Herausforderungen nicht mehr gerecht. "Wenn wir unsere eigenen Interessen sichern wollen, müssen wir auch Grenzen hinter uns lassen", forderte der Minister. Die Streitkräfte müssten deshalb auch jenseits des Bündnisgebiets eingesetzt werden können. Damit solle allerdings nicht Artikel 5 geöffnet werden, der sich weiter nur auf Nato-Vertragsgebiet beziehe. Artikel 5 regelt den Bündnisfall, nach dem ein Angriff auf einen Partner der Militärallianz als Angriff auf alle Mitglieder gewertet wird.

Der Bundesverteidigungsminister schloss zudem einen einseitigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan aus. "Wir haben den Einsatz gemeinsam beschlossen, wir werden ihn gemeinsam zu beenden haben, und wir sollten ihn erfolgreich beenden", betonte er. Auf den USA liege die Hauptlast des Einsatzes. Sie könnten sich dabei auf die Solidarität Deutschlands verlassen.

"Dieser Einsatz hat seinen Preis, und er ist mit einem hohen Risiko verbunden", sagte der Minister. Dies sei nur zu rechtfertigen, wenn alles unternommen werde, um ihn zum Erfolg zu führen. Die Nato habe aus ihren Fehlern gelernt. Mit dem jüngsten Strategiewechsel sei das Bündnis auf dem richtigen Weg, um die Übergabe der Verantwortung an die Afghanen einzuleiten.

Zugleich müsse die Politik der Bevölkerung aber den Einsatz besser erklären, mahnte Guttenberg. "Es klingt vielleicht simpel, aber der erste Schritt muss sein, klar und ohne Beschönigungen die Realität des Einsatzes zu beschreiben." Dazu gehöre, über Fehler und Mängel der Vergangenheit zu reden. "Außerdem müssen wir uns ganz klar von einigen Illusionen verabschieden, was die Zukunft Afghanistans angeht", sagte der Minister. Die Ziele, auf die sich die internationale Gemeinschaft und die Kabuler Führung bei der Afghanistan-Konferenz in London geeinigt hatten, seien dafür ein guter Ausgangspunkt.

Der von der Bundeswehr angeordnete Luftangriff nahe Kundus, bei dem es auch zivile Opfer gab, hatte in Deutschland eine Abzugs-Diskussion ausgelöst. Nach der neuen Afghanistan-Strategie der Bundesregierung sollen ab 2011 die ersten Bundeswehr-Soldaten das Land verlassen. Zunächst will die Bundesregierung aber die Mandatsgrenze um 850 Soldaten erhöhen und mit den zusätzlichen Truppen die Ausbildung der einheimischen Sicherheitskräfte massiv verstärken.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, reuters

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