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Wer geht beim Bundesamt für Verfassungsschutz ein und aus? Ein enttarnter Islamist wirft Fragen auf.

© dpa

Sicherheitslücke beim Verfassungsschutz: Ein Islamist mit Doppelleben als Kollege

Der Feind im eigenen Haus? Der Verfassungsschutz braucht so dringend neues Personal, dass die Sicherheitsüberprüfungen offenbar leiden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Der Schreck dürfte im Bundesamt für Verfassungsschutz größer sein, als es das nach außen hin zugibt. Ein Mitarbeiter entpuppt sich als Islamist und redet im Internet von einer Gewalttat gegen die Behörde. Dem Mann musste nach allem, was bislang über seine Äußerungen im Internet bekannt ist, zumindest langfristig ein gruseliges Szenario zugetraut werden. Ein Anschlag mitten in der Kölner Zentrale des Bundesamtes – das hätte die Republik erschüttert und das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitsbehörden schwer beschädigt.

Dann wäre passiert, wovon Terrororganisationen träumen: in einen Staatsapparat einzudringen und ihn von innen heraus zu treffen. Und eine gewaltige Verunsicherung im Apparat, in der Politik und im ganzen Land zu bewirken. Dem ist die Bundesrepublik entgangen. Mit Glück und dank der Aufmerksamkeit eines Verfassungsschützers, der seinen fanatischen Kollegen im Internet erkannte.

Der Fall zeigt, in welchen Nöten der Nachrichtendienst steckt. Die Behörde benötigt dringend zusätzliche Mitarbeiter, um die rapide wachsende Szene der Salafisten sowie die aus Syrien und Irak zurückkehrenden islamistischen Kämpfer im Blick zu behalten. Da ist dann auch ein etwas älterer ehemaliger Bankangestellter willkommen. Womöglich hat das BfV die Sicherheitsüberprüfung des Mannes nicht mit größtmöglicher Schärfe gehandhabt.

Dubiose Milieus können zu Erpressbarkeit führen

Es wird nun zu klären sein, ob die Behörde einen Fehler gemacht hat – oder ob das Instrument der Sicherheitsüberprüfung wegen gesetzlicher Grenzen nur bedingt tauglich ist. Also mehr Überwachung der Mitarbeiter?

Dann wäre allerdings wieder die gesellschaftliche Debatte über die Balance von Freiheit und Sicherheit angestoßen. Freiheit bedeutet, dass auch ein Bewerber für einen Job beim Verfassungsschutz in seiner Privatsphäre machen kann, was er will, solange er nicht gegen Gesetze verstößt. Und sich nicht in dubiose Milieus begibt und damit dann auch der Gefahr aussetzt, erpressbar zu werden.

Bei dem BfV-Mann wurde jedenfalls offenbar weder wahrgenommen, dass er in der Pornobranche mitgemischt hatte, noch dass er sich radikalisierte. Hat der Verfassungsschutz, auf den sich die Republik als Frühwarndienst der Demokratie verlässt, in eigener Sache versagt? Wenn ja, wegen Überlastung oder wegen restriktiver Regeln?

Für das Bundesamt wie auch die Landesbehörden für Verfassungsschutz sollte der Fall ein Lehrstück sein. Auch wegen der Frage, wie Radikalisierung im Personal vorzubeugen wäre. Bislang konnte sich im Nachrichtendienst kaum jemand vorstellen, ein Mitarbeiter, der Extremisten beobachtet, könnte selbst einer werden und zum potenziellen Innentäter mutieren. Doch ein Blick in die USA zeigt, welche Gefahren lauern. Im November 2009 erschoss in der Armeebasis Fort Hood der Militärpsychiater Nidal Malik Hasan, „Allahu akbar“ rufend, 13 Menschen. Es ist leider denkbar, dass sich der BfV-Mitarbeiter in einen ähnlichen Wahn hineingesteigert hätte.

Wer sich mit Terrorismus befasst, lernt bald: Nichts ist unmöglich. Deshalb bleibt nicht nur beim BfV die Frage ständig aktuell, ob die Risikovorsorge noch genügt.

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