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Ein Patriot-Raketenabwehrsystem während einer militärischen Übung in Mecklenburg-Vorpommern.

© dpa

Sicherheitspolitik: Nato und Russland streiten über Raketenabwehr

Der geplante Schutzschild empört Moskau. Ein internationales Gremium hochrangiger Außenexperten präsentiert jetzt Vorschläge für eine Einigung.

Er war als einigendes Projekt gedacht, doch inzwischen treibt der geplante Raketenabwehrschirm die Nato und Russland eher auseinander. Auch wird die Zeit knapp, wenn sich das Nordatlantik-Bündnis an seinen selbst gesetzten Terminplan halten will: Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen will auf dem Nato-Gipfel am 21. Mai in Chicago eine Einigung zwischen Moskau und der Allianz präsentieren.

Intern schreiten die Vorbereitungen zwar voran. Am Donnerstag gab die Nato bekannt, dass die Kommandozentrale für den geplanten Raketenschild auf der US-Airbase im pfälzischen Ramstein angesiedelt sein wird. Doch seit im Herbst 2010 auf dem Lissabonner Gipfel die Kooperation mit Russland bei der Raketenabwehr vereinbart worden ist, ist der positive Schwung von damals verloren gegangen. Beide Seiten können sich nicht darauf einigen, wie die Kooperation aussehen soll. Der Schild soll schrittweise bis 2020 aufgebaut werden, um Europa künftig vor einer Bedrohung durch Langstreckenraketen zu schützen.

Während das westliche Bündnis auf zwei verschiedenen Systemen beharrt, möchte Moskau ein gemeinsames System und wenigstens eine völkerrechtlich verbindliche Erklärung, dass die Nato ihren Raketenschirm nie gegen Russland richten wird. Gerade in den vergangenen Monaten hat die Moskauer Führung, wohl auch um innenpolitisch zu punkten, rhetorisch schweres Geschütz aufgefahren; der damalige Nato-Botschafter und jetzige Vizepremier Dmitri Rogosin drohte im Herbst sogar mit der Stationierung von Atomraketen in Kaliningrad, die Streitkräfte sollten „Maßnahmen suchen, mit denen Kontrollsysteme der Raketenabwehr zerstört werden können“.

Dass nun die Kommandozentrale in Deutschland und nicht in einem osteuropäischen Nato-Staat eingerichtet wird, könnte als positives Signal an Russland interpretiert werden, sagt Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Zwar sei aus Moskau bis zu den Präsidentschaftswahlen im März kein starkes Entgegenkommen zu erwarten. Wenn die Kooperation aber gelinge, könnte sie der „entscheidende Schritt“ zur Verbesserung der Beziehungen zwischen USA, Nato und Russland sein.

Dieser Ansicht ist auch die Euro-Atlantic Security Initiative (EASI), ein Gremium hochrangiger außenpolitischer Akteure aus Europa, den USA und Russland, die tiefbesorgt sind über das westlich-russische Verhältnis und vor einem Rückfall in die Zeiten des Kalten Krieges warnen. Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, Russlands früherer Außenminister Igor Ivanov und der frühere US-Senator Sam Nunn saßen der zweijährigen Arbeit der EASI vor. In ihrem Bericht „Toward a Euro-Atlantic Security Community“, der am heutigen Freitag auf der Sicherheitskonferenz vorgestellt wird, analysieren sie Grundlagen einer neuen euro-atlantischen Sicherheitsgemeinschaft, bei der es nicht nur um Aspekte militärischer Sicherheit, sondern auch um Versöhnung und wirtschaftliche Sicherheit geht. Die Annäherung Russlands an seine osteuropäischen Nachbarn und die Ressourcen der Arktis spielen hier ebenso eine Rolle.

Was den geplanten Raketenabwehrschirm betrifft, hat man, sagt Wolfgang Ischinger, Vorschläge erarbeitet, die sowohl den Bedenken republikanischer US-Senatoren entgegenkommen, die einen Technologietransfer an Russland fürchten, als auch den Wunsch der russischen Seite nach gleichberechtigter Zusammenarbeit respektieren.

So könnten die Daten und Informationen der US-Satelliten und seegestützten Sensoren einerseits sowie der russischen Satelliten und landgestützten Radaranlagen andererseits in gemeinsamen Zentren von Offizieren der USA, der Nato und Russlands ausgewertet werden. Dies würde einerseits eine effektive Zusammenarbeit ermöglichen, andererseits Souveränität und operative Kontrolle über die jeweils eigenen Systeme weiter gewährleisten. Noch vor dem Nato-Gipfel im Mai sollten sich die Staats- und Regierungschefs öffentlich zu einer euro-atlantischen Sicherheitsgemeinschaft bekennen, um dann in Chicago weitere Schritte zu besserem Austausch und gegenseitiger Information zu vereinbaren. In Russland, so sagt Wolfgang Ischinger, hätten die Vorschläge ausgesprochen positive Reaktionen erhalten.

Zusammen mit einer schriftlichen Erklärung, dass der Raketenschild der Nato keine Bedrohung für Russland darstelle, könnten solche vertrauensbildenden Schritte Moskau von der Sinnhaftigkeit der Kooperation überzeugen und den „Reset“ der russisch-amerikanischen Beziehungen nicht zu einem „Stopp“ werden lassen. US-Vizeaußenamtschef William Burns jedenfalls hat der russischen Zeitung „Komersant“ nun gesagt, Washington sei bereit, eine solche Erklärung „zu Papier zu bringen“.

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