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Besser als Häftlinge müssen Sicherungsverwahrte nun untergebracht werden.

© picture alliance / dpa

Sicherungsverwahrung: Ein Leben zwischen Haft und Freiheit

Ihr Leben soll so normal wie möglich verlaufen. Eine eigenes Zimmer, eine eigene Dusche, ein kleiner Kaufladen. Aber trotzdem sind sie weggesperrt. Wie Sicherungsverwahrte künftig unterkommen: Die neue Einrichtung in Diez in Rheinland-Pfalz als Beispiel.

Jörg Schäfer, Leiter der Justizvollzugsanstalt im rheinland-pfälzischen Diez, spricht immer wieder von den neuen „Hafträumen“. Und korrigiert sich dann gleich: „Zimmer“, sagt er, „Zimmer meine ich, natürlich.“ Es geht um die Räume in dem modernen Neubau, der gerade innerhalb der Diezer Gefängnismauern entsteht. Vierzig Männer, sie sind alle in Sicherungsverwahrung, sollen dort in wenigen Wochen einziehen. Im Moment leben sie noch im Gefängnis direkt nebenan. Das ist ein mehr als hundert Jahre alter Kasten mit Gittern vor den Fenstern, kreuzförmig gebaut nach der im letzten Jahrhundert noch üblichen panoptischen Bauweise. In diesem Haus dürfen die Sicherungsverwahrten nicht mehr bleiben.

Das folgt aus der Entscheidung, die das Bundesverfassungsgericht im Mai 2011 nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte traf. Es erklärte alle Regelungen zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig. Vor allem wurde bemängelt, dass Sicherungsverwahrte genauso untergebracht werden wie andere Häftlinge. Denn Sicherungsverwahrte sind keine Häftlinge, sie haben ihre Strafe verbüßt. Auf freien Fuß kommen sie nur deshalb nicht, weil sie als Gefahr für die Allgemeinheit gelten. Verwahrung sei keine Strafe, argumentierten die Karlsruher Richter, deshalb müssten die Lebensbedingungen für Sicherungsverwahrte deutlich besser sein als die von Strafgefangenen. Die in allen Bundesländern gängige Praxis, die Verwahrung in den Strafanstalten zu vollstrecken, erklärten sie für verfassungswidrig: Sicherungsverwahrung sei in deutlichem Abstand zur Strafhaft auszugestalten, die Perspektive, die Freiheit wiederzuerlangen, solle sichtbar die Unterbringung bestimmen. Die Frist für die Umsetzung setzten die Richter bis zum 1. Juni 2013.

Das Land Rheinland-Pfalz entschied sich gleich für einen Neubau. Noch ist der nicht fertig. Die Bauarbeiten sollen sich noch bis in den Herbst hinziehen. Auch an den Außenanlagen muss noch gearbeitet werden. Nur Trakt A, einer von drei Flügeln, ist fristgerecht ab Juni bezugsfertig. Das neue Zuhause für die Sicherungsverwahrten ist ein helles, großzügiges T-förmiges Gebäude und hat eine Fläche von 4900 Quadratmetern. Rund 20 Millionen Euro kostet das Haus, es bietet Platz für insgesamt 64 Sicherungsverwahrte aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Deren Lebensbedingungen verbessern sich deutlich. Fünfzehn Quadratmeter hat ein Zimmer, damit ist es fast doppelt so groß wie die alten Gefängniszellen. Dazu kommt eine Nasszelle für jeden, das heißt endlich eine eigene Toilette und Dusche.

Neben den Wohneinheiten sind Räume für Therapie und Betreuung geplant, dazu kommt die Verwaltung. Mit einem großen Sportplatz, einer Bibliothek und einem kleinen Kaufladen soll den Sicherungsverwahrten das Leben so normal wie möglich gestaltet werden. Besonders stolz ist Anstaltsleiter Schäfer auf die lichtdurchfluteten Begegnungsräume in allen Stockwerken, die die langen Flure unterbrechen: „Ein Kicker soll hier stehen, Billard, eine gemütliche Sitzecke.“ Auch ein großzügiger Besucherbereich ist geplant. Über dessen Nutzung macht sich Schäfer kaum Illusionen: „Wer hier länger als zehn Jahre einsitzt, bekommt keinen Besuch mehr. Der hat keine Kontakte mehr nach draußen.“

Einmal pro Jahr soll geprüft werden, ob die Sicherungsverwahrung noch vollstreckt werden muss. „Für Therapien und Behandlungen fehlt es an Personal“, klagt Schäfer. Er könne sich in diesem neuen Haus zwar sehr vieles vorstellen: Gestalttherapie, Ergotherapie, Sport- und Kreativitätsförderung. Aber nicht einmal Behandlungen durch Psychotherapeuten könne die Anstalt gewährleisten. Selbst wenn ein Bewohner eine positive Prognose erhält, die Entlassungen gestalten sich schwierig: „Auch wenn wir eine geeignete Einrichtung finden – die Gemeinden und Landkreise wehren sich sofort. Sie wollen keine entlassenen Straftäter in ihrer Nähe haben“, sagt Schäfer. Für die Sicherungsverwahrten heißt das: Sie werden sich wohl auf einen langen Aufenthalt einrichten müssen. Für die, die dort alt werden, ist schon vorgesorgt: Es wurde barrierefrei gebaut.

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