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Politik: Sie legt sich nicht fest

Die Unions-Kanzlerkandidatin Merkel besucht die Truppen im Kosovo

Mit Außenpolitik gewinnt man zwar selten Wahlen, aber Kompetenz und Sicherheit auf dem internationalen Parkett sind für eine Kanzlerkandidatin notwendige Grundausstattung. Daher war der Besuch der CDU-Chefin Angela Merkel am Freitag im Kosovo auch von besonderer Bedeutung. In Prizren traf Merkel mit dem Leiter des deutschen Einsatzkontingents im Kosovo, General Norbert Stier, und Bundeswehrsoldaten zusammen, denen sie ihre „volle Unterstützung“ zusagte. Die Unions-Kanzlerkandidatin bekannte sich zur Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und forderte, die Gefährdung deutscher Soldaten bei Auslandseinsätzen müsse „so gering wie möglich gehalten werden“. Zuvor hatte sie schon in Interviews gesagt, sie werde keine deutschen Soldaten in den Irak schicken.

Bei Gesprächen am Nachmittag in der Hauptstadt Pristina mit Premierminister Bajram Kosumi, Präsident Ibrahim Rugova und dem Leiter der UN-geführten Protektoratsverwaltung (Unmik), Soren Jessen-Petersen, stand jeweils die politische Zukunft des Kosovo im Mittelpunkt.

Merkels Besuch im Kosovo sollte das bislang wenig ausgeprägte außenpolitische Profil der konservativen Kanzlerkandiatin stärken. Eine Visite in Paris kommende Woche dürfte ebenfalls diesem Ziel gelten. Bei einem Gespräch mit Journalisten kündigte Merkel für den Fall eines Wahlsieges ein Abweichen von der bisherigen Russlandpolitik Bundeskanzler Gerhard Schröders an. Auch das seit der Irakkrise verschlechterteVerhältnis zu den USA will sie verbessern.

Was die Balkanpolitik der rot-grünen Regierung anbelangt, so hielt sich Merkel mit Kritik im Kosovo auffällig zurück. Ihre Mahnung, möglichst bald mit Verhandlungen über den endgültigen Status des nach internationalem Recht zu Serbien-Montenegro gehörenden Protektorats zu beginnen, liegt voll auf Regierungslinie – und dürfte im September oder Oktober durch UN-Generalsekretär Kofi Annan grünes Licht bekommen. Die Garantie, bis zu einer Lösung der zwischen Belgrad und Pristina umstrittenen Statusfrage mit Bundeswehrsoldaten im Kosovo präsent zu bleiben, haben bis auf die PDS alle im Bundestag vertretenen Parteien abgegeben. Darüber, welche Form die internationale Präsenz nach Klärung der Statusfrage annehmen soll, äußerte Merkel sich auf ihrer Reise nicht.

Das CDU-Regierungsprogramm „Deutschlands Chancen nutzen. Wachstum. Arbeit. Sicherheit“ verrät jedoch in zwei Punkten Abweichungen von der rot-grünen Politik für Südosteuropa, die eng mit der Annäherung an die Europäische Union verbunden ist. So wird dort mit einer Rücknahme der bereits erfolgten Zusagen an Rumänien und Bulgarien, sie Anfang 2007 in die EU aufzunehmen, gedroht. „Eine Entscheidung über die Ratifizierung der Beitrittsverträge“ könne man „erst nach Vorliegen der Fortschrittsberichte der EU-Kommission treffen“. Zudem bekräftigt es die von maßgeblichen CDU-Außenpolitikern geprägte Ablehnung einer EU-Vollmitgliedschaft für die Türkei. „Mit einer privilegierten Partnerschaft, nicht mit einer unrealistischen Beitrittsperspektive“ solle „die demokratische rechtsstaatliche und wirtschaftliche Entwicklung“ gefördert werden.

Der mögliche Koalitionspartner FDP liegt mit seiner Südosteuropapolitik ebenfalls nicht auf Unionslinie. Als einzige Bundestagsfraktion haben die Liberalen ein Konzept für eine EU-Treuhandschaft über das Kosovo vorgelegt, das eine Ablösung des jetzigen UN-Protektorats vorsieht.

Markus Bickel[Sarajevo]

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