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Politik: Sieben Wochen bis zum Zugriff

Die baden-württembergische Justiz hat sich viel Zeit gelassen, ehe sie den türkischen Bombenbastler festnahm

Von Frank Jansen

und Thomas Seibert

Spektakulärer Erfolg oder Pannenserie? Wenige Tage nach der Festnahme eines terrorverdächtigen Paares in Walldorf werden Baden-Württembergs Strafverfolgungsbehörden mit vielen Fragen konfrontiert. Bereits Mitte Juli hatte das FBI einen Hinweis übermittelt, in dem von gefährlichen Chemikalien in der Wohnung des Türken Osman P. und seiner amerikanischen Verlobten Astrid E. die Rede war. Dennoch dauerte es sieben Wochen, bis die Polizei zuschlug. Das Landesjustizministerium schließt Versäumnisse nicht aus und hat bei der Staatsanwaltschaft Heidelberg einen Bericht angefordert.

Die Polizei fand 130 Kilogramm explosive Chemikalien, fünf halbfertige Rohrbomben und ein Bild von Osama bin Laden. Landesinnenminister Thomas Schäuble (CDU) hatte am Freitag von einem großen Erfolg gesprochen. Es seien Anschläge zum Jahrestag des 11. September verhindert worden. Das Paar habe einen Supermarkt auf dem Gelände der amerikanischen Armee in Heidelberg und das historische Zentrum der Stadt treffen wollen. Warum die Gefahr eines Anschlags oder zumindest einer Explosion in der Wohnung des Paares erst nach sieben Wochen gebannt wurde, bleibt unklar. Am Montag räumte Schäuble Probleme bei den Ermittlungen ein. Der Minister meinte aber, von Pannen zu sprechen, sei „ungerecht“.

Nach den bisher bekannten Fakten lässt sich eine ungefähre Chronik der Ereignisse skizzieren. Vermutlich im Juli schickte eine Bekannte der Verlobten des Türken eine E-Mail an das FBI in den Vereinigten Staaten. Die Bundespolizei informierte dann ihre Außenstelle in der Bundesrepublik. Von dort ging am Nachmittag des 17. Juli ein Hinweis an die Polizeidirektion Heidelberg. Hier wurde die Abteilung Staatsschutz eingeschaltet – sie ist für die Bekämpfung politisch motivierter Delikte zuständig. Zwei Tage später informierte die Polizeidirektion die Heidelberger Staatsanwaltschaft. Diese erfuhr: Eine Zeugin habe den Türken beschuldigt, er lagere bei sich zu Hause Chemikalien, berichtete Oberstaatsanwältin Elke O’Donoghue dem Tagesspiegel. Der Vorgang sei als „eilt sehr“ eingestuft worden. Da die Zeugin in Mannheim wohnt, wurde beim dortigen Amtsgericht beantragt, die Frau zu vernehmen. Doch dazu kam es erst am 28. August – sechs Wochen, nachdem das FBI sich an die Heidelberger Polizei gewandt hatte.

Es sei zunächst nicht gelungen, der Zeugin eine Ladung zuzustellen, sagte Oberstaatsanwältin O’Donoghue. Außerdem sei erst in der Vernehmung am 28. August klar geworden, dass der Türke etwas plane. Zwei Tage später war ein Durchsuchungsbeschluss fertig. Die Razzia verzögerte sich nochmals, „weil die Amerikaner involviert waren“, wie O’Donoghue sagte. So gelang es erst am 5. September, das Paar festzunehmen und der Bombenbastelei ein Ende zu bereiten.

Generalbundesanwalt Kay Nehm, der sich bei Terrorismusverdacht üblicherweise einschaltet, wurde erst am vergangenen Donnerstag informiert. Die Staatsanwaltschaft schaltete außerdem das Landeskriminalamt erst nach der Durchsuchung ein – obwohl in der Behörde eine dafür gebildete Spezialeinheit existiert, die „Soko Magister (Maßnahmen gegen islamistische Terroristen)“. Nach Informationen des Magazins „stern“ wurde auch der Verfassungsschutz erst nach der Razzia unterrichtet.

Unscharf bleibt die Motivation des beschuldigten Türken. Ging es dem mutmaßlichen Terroristen von Heidelberg nur um Geld? Möglicherweise habe er sich gegen Bezahlung als Bombenbauer anheuern lassen, mutmaßen türkische Zeitungen. Nach der Festnahme des 25-jährigen Osman P. zeichnen Verwandte und Bekannte ein Bild des mutmaßlichen Bombenlegers, das nicht zu dem eines religiösen Fanatikers passen will: Osman P. trank Bier und nahm Drogen, außerdem soll er hoch verschuldet gewesen sein. Allerdings, so berichten türkische Zeitungen, habe er sich schon seit Jahren mit Sprengstoff befasst. Die Familie von Osman P. spricht von falschen Verdächtigungen.

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