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Politik: Sieg mit Rechts

Nach seinem Wahlerfolg drängt der Schweizer Populist und Milliardär Christoph Blocher in ein Ministeramt

Das gemächliche Regierungssystem der Schweiz steht vor einem Erdbeben: Nach seinem Triumph bei den Parlamentswahlen vom Sonntag fordert der nationalkonservative Volkstribun Christoph Blocher ultimativ einen Sitz für sich im Kabinett. Sollte der milliardenschwere Chemieunternehmer leer ausgehen, will Blochers Schweizerische Volkspartei (SVP) als Fundamentalopposition der Regierung zusetzen.

„Das wäre aber nicht gut für die Schweiz", warnt SVP-Anführer Blocher. „Denn gegen eine starke Opposition Politik zu machen, ist für eine Regierung fast unmöglich." Blocher taxierte seine Chancen, dass die beiden Kammern des neuen Parlaments ihn am 10. Dezember in die Regierung wählen, auf „50 Prozent".

Blochers Gegner, wie der Sozialdemokrat Pierre-Yves Maillard, warnen schon jetzt vor einem Minister Blocher: „Da wird mir angst und bange." Politikwissenschaftlerin Sibylle Hardmeier von der Universität Zürich erwartet im Fall der Blocher-Wahl einen „Rechtsrutsch". Zumal in der Asyl- und Einwanderungspolitik könnte Blocher den Kurs verschärfen. Wirtschaftspolitisch würde der Firmeninhaber auch in der jetzigen Rezession auf weniger Staat setzen.

Doch egal wie die Entscheidung über die neue Regierung ausfällt: Die traditionelle Machtverteilung in einer der ältesten Republiken der Welt dürfte passé sein: Seit 1959 erhalten die Sozialdemokraten (SP), die Freisinnigen (FDP) und die Christlichdemokratischen (CVP) jeweils zwei Ministerposten. Die SVP muss sich mit einem Ressort begnügen. Die größten politischen Gruppen sollen spiegelbildlich in der Konkordanzdemokratie vertreten sein. Gleichzeitig entscheidet das Volk über alle großen Fragen an den Urnen selbst.

Seit Sonntag ist aber Blochers SVP mit über 27 Prozent der Stimmen klar die stärkste Partei im Regierungs-Quartett. Zudem bietet die Volkspartei in der größeren Kammer des Parlaments, dem Nationalrat, die größte Fraktion auf.

Blocher verlangt seinen Regierungs-Sitz, einen so genannten Bundesrat, von einem der beiden CVP-Minister: „Wer von den beiden Bundesräten geht, ist mir egal." Immerhin: Die CVP brach auf die Hälfte des SVP-Anteils ein. Zwar gibt es zahlreiche Experten, die auch angesichts des Wahlergebnisses vom Sonntag das Schweizer System „keineswegs in seinen Grundfesten erschüttert“ sehen. Diese Ansicht vertritt Christoph Fehr, ein Analyst bei der Bank CSFB. Dennoch stellt kein Politiker den Anspruch auf einen zweiten SVP-Mann im Kabinett ernsthaft in Frage. Nur stoßen sich die Granden der anderen Parteien an der Person Blocher.

Wegen seiner beinharten Kampagnen gegen Ausländer fing sich der Populist nicht nur Kritik zu Hause ein. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk geißelte die „Propaganda" Blochers; der Europarat brandmarkte die SVP als „extremistisch" mit „fremdenfeindlicher Tendenz".

Bereits bei den Wahlen vor vier Jahren war Blocher erfolgreich gewesen. Seine simplen Parolen fanden diesmal angesichts der Rezession gerade bei verunsicherten Wählern Gehör. Keine andere Partei bearbeitet aber auch zwischen den Urnengängen die Bürger so intensiv wie die SVP. Und selbst die Zürcher „Weltwoche“ ließ Sympathie für die rechtspopulistische Partei erkennen. „Die führen eine Art Dauerkampagne", analysiert Politikwissenschaftlerin Hardmeier. „Am Sonntag hat sich die SVP dann den Preis abgeholt."

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Jan Dirk Herbermann[Genf]

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