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Politik: Sieht es in Gelsenkirchen schlimmer aus als in Görlitz?

NRW-Ministerpräsident Steinbrück stellt Finanzhilfen für Ost-Städte in Frage – viele finden das unanständig. Und Stolpe rechnet gern vor, dass auch der Westen Geld kriegt

Von

Von Albert Funk

und Matthias Schlegel

Peer Steinbrück hat in ein Wespennest gestochen: Mit seiner Forderung, die Vergabe von Fördermitteln für Kommunen zu Lasten der östlichen Bundesländer neu zu regeln, hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Empörung in den neuen Ländern ausgelöst. Der für die Verteilung der Mittel zur Städtebauförderung zuständige Bundesminister Manfred Stolpe (SPD) verwies in der Chemnitzer „Freien Presse“ darauf, dass derzeit bereits dort gefördert werde, „wo es am notwendigsten ist“. Das gelte von Görlitz bis Gelsenkirchen. Die Grünen-Haushaltsexpertin Antje Hermenau bezeichnete Steinbrücks Vorstoß gar als „politisch unanständig“. FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper warf dem NRW-Regierungschef vor, eine „Neiddebatte“ auszulösen. Mecklenburg- Vorpommerns Regierungssprecherin Marion Zinke sagte dem Tagesspiegel, nahezu der gesamte Osten sei strukturschwach. Insofern seien Abstriche in der Förderung nicht hinnehmbar.

Steinbrücks Rechnung, in NRW habe er 1,80 Euro pro Einwohner zur Verfügung, im Osten hätten die Städte 27,10 Euro pro Kopf, hat dagegen auch den Stuttgarter Wirtschaftsminister und FDP-Bundesvize Walter Döring beeindruckt. Er unterstützt Steinbrücks Wunsch nach einer Revision der Förderbedingungen und will das zum Thema der nächsten Bauministerkonferenz machen. Wie der Düsseldorfer Bauminister Michael Vesper (Grüne) verweist auch Döring darauf, dass die ostdeutschen Länder seit 1990 etwa 4,9 Milliarden Euro an Bundesmitteln für die Städtebauförderung bekommen hätten – 200 Millionen mehr als die westdeutschen Länder in den 32 Jahren seit Beginn der Bundesförderung im Jahr 1971 insgesamt. „Das ist nicht vermittelbar“, so Döring zum Tagesspiegel. Es bestehe Änderungsbedarf. Und in Steinbrücks Staatskanzlei wird zur Rechtfertigung darauf verwiesen, dass in manchen Bereichen ostdeutsche Städte heute besser dastünden als ihre westdeutschen Partner- und Helferkommunen. Bei der Förderung müsse wieder mehr nach Bedürftigkeit, nicht nach Himmelsrichtung entschieden werden. Vesper will, dass bis 2009 die Förderprogramme des Bundes so geändert werden, dass eine Gleichbehandlung ost- und westdeutscher Problemregionen besteht.

Stolpe hatte erst kürzlich bei Städtebesuchen in Bayern auf das Fördervolumen verwiesen, das auch westlichen Kommunen zur Verfügung stehe. Zugleich hatte er eingeräumt, dass der Förderschwerpunkt nach wie vor in den neuen Ländern liege. Alles in allem werden im Rahmen der Städtebauförderung allein im Jahr 2003 exakt 581 Millionen Euro Bundeshilfen verteilt. Davon fließen insgesamt nur knapp 170 Millionen Euro in West-Kommunen. Und so sieht der Vergleich in der Tat für die westlichen Bundesländer im Einzelnen ernüchternd aus: Während Nordrhein-Westfalen insgesamt rund 24 Millionen Euro für städtebauliche Maßnahmen erhält, bekommt Sachsen allein dafür knapp 34 Millionen Euro, dazu 30 Millionen Euro für den städtebaulichen Denkmalschutz sowie weitere 53 Millionen Euro für den Stadtumbau.

Das Bauministerium hofft, dass durch die geplante Umstrukturierung der Eigenheimförderung zusätzliche Mittel für die Aufwertung der Städte frei werden. So soll dann vor allem auch der Westen berücksichtigt werden: Hilfen zur Förderung der Stadtentwicklung in den alten Ländern könnten dann, so sehen es Stolpes Planungen vor, von derzeit 92 auf 211,8 Millionen Euro steigen. Und er wirbt mit einem weiteren kräftigen Häppchen um die Gunst der Altbundesländer. Denn darüber hinaus soll mit den eingesparten Mitteln ein neues Programm „Städtebauförderung West“ im Umfang von rund 86 Millionen Euro finanziert werden.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat unterdessen in der „Financial Times Deutschland“ vor falschen Erwartungen bei der Angleichung des Ostens an den Westen gewarnt. Einem Nachlassen bei der Städtebauförderung will er damit aber nicht das Wort reden: Insgesamt gebe es im Osten immer noch erheblichen Rückstand.

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