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Außenminister Sigmar Gabriel traf seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow (links) bereits im Februar in Bonn.

© Thilo Schmuelgen/Reuters

Sigmar Gabriel reist nach Russland: In heikler Mission

Außenminister Sigmar Gabriel fährt an diesem Mittwoch erst nach Polen und dann nach Russland. Dort muss er diplomatisches Geschick beweisen. Eine Analyse.

Für den deutschen Außenminister ist es die bisher heikelste Reise im neuen Amt. An diesem Mittwoch fährt Sigmar Gabriel erst zu Gesprächen nach Polen und reist von dort am Abend nach Russland weiter. Noch vor einem Jahr hatte der damalige Wirtschaftsminister die Devise ausgegeben, man müsse „Polen umarmen“. Doch anders als bei Gabriels Vorgängern zählt der Besuch in Warschau nicht mehr zu den ersten Stationen des neuen Ministers, zu stark hat sich das deutsch-polnische Verhältnis seit dem Antritt der nationalkonservativen Regierung in Warschau abgekühlt. In der vergangenen Woche besuchte der neue Außenminister zuerst die drei baltischen Staaten und die Ukraine. Sowohl dort als auch in Warschau wird allerdings sein Besuch in Moskau mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet werden.

Schon drei Besuche bei Wladimir Putin

Denn Gabriels Umgang mit Russland hat eine längere Vorgeschichte, der bisherige Wirtschaftsminister war bereits dreimal dort. Als er im März 2014 ins Flugzeug stieg, hatten auf der ukrainischen Halbinsel Krim Bewaffnete in Uniformen ohne Hoheitszeichen das Parlamentsgebäude, den Flughafen und andere strategisch wichtige Orte besetzt und wenig später ein Referendum über den Anschluss an Russland abgehalten. Der Minister hatte sich entschieden, trotz dieser Eskalation an seinem Besuch festzuhalten. Wladimir Putin dankte es ihm mit einem Treffen – keine Selbstverständlichkeit für den russischen Präsidenten, der sonst fast nur Staats- und Regierungschefs empfängt.

Bei seinem nächsten Besuch in Moskau im Oktober 2015 besprach Gabriel mit Putin, wie sich bei dem vor allem in Osteuropa abgelehnten Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 politische Einmischung von außen – gemeint war die Europäische Union – begrenzen ließe. Kurz vor dieser Reise hatte der SPD-Politiker erstmals ein Ende der Sanktionen gegen Russland ins Gespräch gebracht und dies mit der Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit Moskau im Syrien-Konflikt begründet. Damit distanzierte er sich indirekt von der Russlandpolitik der Kanzlerin, die innerhalb der EU durchgesetzt hatte, die Sanktionen bis zur Umsetzung des Minsker Abkommens für die Ukraine in Kraft zu lassen. Später schlug der Wirtschaftsminister vor, die Strafmaßnahmen gegen Russland nicht erst aufzuheben, wenn das ganze Abkommen umgesetzt ist, sondern bereits nach erfolgreicher Umsetzung einzelner Punkte zu lockern. In der Ukraine löste dieser Vorschlag Irritationen aus.

Irgendwie sei es sein Schicksal, immer in schwierigen Situationen nach Russland zu kommen, sagte Gabriel bei seinem letzten Besuch bei Putin im September 2016. Unmittelbar vor seiner Reise war in Syrien ein Hilfskonvoi bombardiert worden, die USA machten Moskaus Armee dafür verantwortlich.

"Wir wissen, wer der Aggressor ist"

Dass ein SPD-Politiker, der trotz der russischen Rolle im Ukraine-Krieg immer wieder die Annäherung an Russland gesucht hatte, das Amt des Außenministers übernehmen würde, wurde in Polen, den baltischen Staaten und der Ukraine durchaus mit Sorge gesehen. Doch selbst Gabriels größte Kritiker haben an seinem bisherigen Umgang mit dem Ukraine-Konflikt und dem heiklen Verhältnis zu Russland wenig auszusetzen. Bei seinem Besuch im Baltikum machte Gabriel bereits deutlich, dass die Sanktionen gegen Russland nicht aufgehoben werden könnten, solange es im Ukraine-Konflikt keine Fortschritte gibt. Vor ukrainischen Abgeordneten in Kiew sagte Gabriel über Moskaus Rolle im Ukraine-Krieg: „Wir wissen, wer der Aggressor ist. Wir wissen, wer das Völkerrecht gebrochen hat. Und wir wissen, dass es sich nicht um einen Konflikt nur der Ukraine handelt.“ Kurz nach seiner Amtsübernahme hatte er angesichts der massiven Kämpfe um die ostukrainische Stadt Awdijiwka noch gesagt, man könne nicht nur einer Seite die Schuld geben.

Deutschland und Frankreich haben im Ukraine-Konflikt eine Vermittlerrolle übernommen. Seit Monaten gibt es praktisch keine Fortschritte bei der Umsetzung der im Februar 2015 in Minsk geschlossenen Vereinbarungen. So können sich Kiew und Moskau nicht darauf verständigen, in welcher Reihenfolge die Punkte des Abkommens umgesetzt werden sollen. In diesen Prozess Bewegung zu bringen, ist die wohl schwierigste Aufgabe des neuen Außenministers. Gabriel, der bisher als wenig diplomatisch galt, muss nun in Moskau diplomatisches Geschick beweisen.

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