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Die innerparteilichen Zweifel an SPD-Chef Sigmar Gabriel sind gewachsen.

© dpa/Ralf Hirschberger

Sigmar Gabriel und die SPD: "Feind, Todfeind, Parteifreund"

Was die Sozialdemokraten mit ihrem Parteichef veranstalten, hat Sigmar Gabriel nicht verdient. Denn der schindet sich für die Partei. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Mein Gott, bewahre mich vor meinen Freunden, mit meinen Feinden werde ich allein fertig - ein Aphorismus von Voltaire. Übertrieben? So ähnlich muss sich Sigmar Gabriel gegenwärtig fühlen. Was da aus dem Hintergrund immer mal wieder von seinen Parteifreunden kommt, hinter vorgehaltener Hand, das klingt nicht so viel anders als das, was "Focus"-Herausgeber Helmut Markwort am Stammtisch gesagt hat, Nämlich dass er bald weg sei.

Aber wer soll dann kommen? Olaf Scholz? SPD-Vorsitzender? Das wäre bei einem, der in parteiinternen Wahlen regelmäßig so schlecht abschneidet, wie ein Wunder. Scholz ist als Vertreter der Exekutive, also als Regierender, herausragend unter den Sozialdemokraten, die Hamburger mögen seinen spröden Charme auch, nur als mitreißender Parteiführer oder Parteitagsredner ist er nicht bekannt geworden. Wenn das keine Rolle mehr spielt, wenn nur noch Ruhe zählt - dann kann Scholz es vielleicht werden. Selbst wenn er kein Linker ist, sondern einer aus der Schröder-Schule. Allerdings wird ja auch ein Kanzlerkandidat gesucht. Einer, der erst begeistern kann und dann ordentlich regieren. Letzteres hat Scholz bewiesen. Das bestreitet ihm auch keiner in der Union.

Aber zurück zu Gabriel. Der hat das, was gerade geschieht, nicht verdient. Denn er schindet sich für die SPD, und das ist sehr ernst gemeint. Er geht für diese Partei - die er besser kennt als jeder andere, die er kennt wie der leitende Archivar ihrer Geschichte, auf die er stolz ist - an seine Gesundheit. Auch die jüngste Nachricht, Gürtelrose, noch dazu im Gesicht, zeugt davon. Und trotzdem reist Gabriel dann gleich nach Stockholm. Wäre es nicht wieder doppeldeutig zu verstehen, müsste man sagen: ohne Rücksicht auf Verluste.

Und wie dankt es ihm die SPD? Gar nicht. Oder so: Viele ducken sich weg. Ein Ralf Stegner, Parteivize wie etliche andere, von denen man nichts hört, ist da eine bemerkenswerte Ausnahme. Ja, Sigmar Gabriel ist nicht einfach. Er kann aufbrausend sein, hat viele Ideen, sprudelt manchmal über. Aber immerhin hat er Ideen, kämpft für das, was er für richtig hält. Auch auf den Parteitagen. Dass das manchen nicht gefällt, war ja am letzten Wahlergebnis abzulesen. Nur sollen sich da mal die, die sich für die Partei nicht annähernd haben prügeln lassen wie er, nicht so zimperlich anstellen.

Aber wenn es den Genossen in der Mehrheit jetzt zu viel wäre? Dann müssten sie sich doch entscheiden. Ja oder nein, so ist das im Leben wie in der Politik. Auf dem vergangenen Parteitag haben die Delegierten ihn wiedergewählt, nicht grandios, allerdings immerhin zu knapp drei Vierteln. Heißt das umgekehrt, dass das eine Viertel Gabriel den Anspruch auf Solidarität der Gesamtpartei verwehren kann? Wenn das so wäre, bestätigte die Sozialdemokratie einmal mehr die alte Lebensweisheit von CSU-Chef Franz Josef Strauß: "Feind, Todfeind, Parteifreund.“

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