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PayPal-Mitgründer, Milliardär, Großinvestor, Start-up-Hoffnung: Peter Thiel strickt mit an der Ideologie des Silicon Valley.

© AFP

Silicon Valley: Der religiöse Kult des "Monopolkapitalismus"

Silicon Valley strickt sich seine eigene Wirtschaftsreligion: Monopole sollen die Welt retten. Eine Exegese anhand der Schriften des Star-Investors Peter Thiel.

Von Anna Sauerbrey

Facebook verdiente im vierten Quartal 2014 620 Millionen Euro. Google brachte es auf 4,2 Milliarden und Apple auf 15,8 Milliarden. Ein Grund für die enormen Gewinne ist: Alle diese Unternehmen sind Quasi-Monopolisten. Aus Sicht vieler Europäer, unter ihnen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, ist das ein Problem: kein Wettbewerb, keine Wahlmöglichkeiten für Verbraucher, das bedeutet hohe Preise. Monopole sind schlecht: So will es die klassische Volkswirtschaftslehre. Doch diese Lehre stellt das Silicon Valley offensiv infrage. Es hat sich eine eigene Volkswirtschaftslehre, eine eigene Ideologie zugelegt.

Die Neue Lehre des Silicon Valley lautet: Monopole sind gut.

Einer der Missionare dieser Ideologie ist der Investor und Milliardär Peter Thiel. Sein als Gründer-Fiebel getarntes Manifest „Zero to One“ ist im vergangenen Herbst auf Deutsch erschienen. Kürzlich war er in Berlin, der Campus-Verlag und das von Google mitfinanzierte Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft hatten ihn eingeladen. Mehrere hundert Menschen kamen, zumeist junge Männer, und Thiel verkündete die neue Lehre: Kapitalismus geht auch ohne Wettbewerb. Monopole sind gut. Sie treiben die Evolution der Menschheit voran.

Thiel unterscheidet zwischen horizontalem und vertikalem wirtschaftlichen Fortschritt. Der horizontale Fortschritt verbessert bestehende Produkte. Der vertikale vernichtet das Bestehende und ersetzt es auch durch etwas Einzigartiges: ein neues Monopol. Nur der Monopolkapitalismus schaffe genügend Kapital, um in bahnbrechende Technologien zum Wohle der Menschheit investieren zu können. Für Thiel ist Technologie gleich Fortschritt. Die Start-ups, die sie entwickeln, ersetzen Politik und Philosophie als Motor menschlicher Entwicklung. Thiel glaubt, dass es letztlich Unternehmen sein werden, die „sämtliche Alters- und Verfallskrankheiten heilen“ und neue Energiequellen finden.

Peter Thiel spricht dem Jetzt die Existenzberechtigung ab

Peter Thiel wurde 1967 in Frankfurt geboren, als er ein Jahr alt war, wanderten seine Eltern in die USA aus. Heute trägt er den Titel „Star-Investor“. Er hat Paypal mitgegründet und früh in Facebook investiert. Forbes schätzt sein Vermögen auf 2,2 Milliarden Dollar. Der Silicon-Valley-Unternehmer und Internet-Kritiker Andrew Keen schreibt über ihn: „Peter Thiel hat alles: Köpfchen, Charme, Weitsicht, Charisma – alles, außer Mitgefühl für Menschen, die weniger erfolgreich sind als er.“

Man könnte auch sagen: Er hat wenig Mitgefühl für alles, was ist. Thiel formuliert eine beinahe totalitäre Verherrlichung des Neuen. Er stellt die Existenzberechtigung des Jetzt infrage. Für ihn ist die Gegenwart nur ein lästiges Provisorium, das es zu überwinden gilt. Eine „konkret optimistische Zukunft“, schreibt Thiel, bräuchte „Ingenieure, um Städte auf dem Meeresboden oder im Weltraum zu bauen“. Wenn wir mit diesem Planeten durch sind, heißt das, nehmen wir uns eben den nächsten. Thiel hat vorsorglich in „SpaceX“ investiert, das Raumfahrtunternehmen seines alten PayPal-Buddys Elon Musk.

"Disruption" ist das Zauberwort. Sie ähnelt der Idee der Apokalypse

Thiel ist nicht der Erste, der die Kraft einzigartiger Innovationen preist. Das Stichwort „Disruption“ ist über die Start-up-Szene hinaus längst zu einem Modewort geworden. Es geht auf Clayton M. Christensen zurück, einen Ökonomen, der an der Harvard Business School lehrt.

Claytons Buch „The Innovator’s Dilemma“ erschien schon 1997. Es beschreibt die „disruptive“ Kraft der Festplatten-Industrie und erklärt, warum Unternehmen oft erst spät auf derartige Neuerungen in ihrem Markt reagieren. In der Quasi-Religion des Monopolkapitalismus spielt sie die Rolle der Apokalypse: eine grausame, aber reinigende Kraft, auf die das Himmelreich folgt, jedenfalls für die Guten (und von den Business-Angels Auserwählten).

Thiels Freude an der Apokalypse entsteht wohl auch dadurch, dass er an der Saturiertheit der Gegenwart leidet. Keiner suche mehr nach Geheimnissen, klagt er, alle glaubten, alles sei schon entdeckt. Das mag einen wahren Kern haben. Doch der radikale Gegenentwurf, die Verherrlichung des Neuen, führt in die Irre. Thiel nimmt an, dass die enormen Gewinne, die durch Monopole gemacht werden, nicht nur die Gründer reich machen, sondern reinvestiert werden. Das ist zu optimistisch. Außerdem sind viele Technik-Innovationen weit davon entfernt, die Menschheit vom Krebs zu befreien. Oft ist das, was da pompös inszeniert wird, am Ende doch nur eine Uhr. Dass die „Disruption“ einen neuen, transzendenten Glückszustand bringt, ist eine religiöse Hoffnung – für deren Eintreffen wenig spricht.

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