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Politik: Silke Maier-Witt wollte am "Forum Ziviler Friedensdienst" mitwirken - doch dem Ministerium dahinter wurde die Personalie jetzt unheimlich (Analyse)

Einen Rechtsstaat kann man nicht nur haben, man muss ihn auch leben. Das fällt den Deutschen schwer.

Einen Rechtsstaat kann man nicht nur haben, man muss ihn auch leben. Das fällt den Deutschen schwer. Denn für sie kam der Rechtsstaat ursprünglich nicht als Konsequenz einer bürgerlichen Revolution - sondern an deren Stelle: ein rechtsförmiger, aber im Geiste obrigkeitlicher Staat. Deshalb fehlt unserer Rechtskultur zuweilen immer noch der rechte bürgerliche Schwung, jene Verbindung aus Zivilcourage und Prinzipientreue, vor allem in den symbolisch wichtigen Grenzfällen, in denen es sich zeigen muss: mutige Bürgergesellschaft oder muffiger Anstaltsstaat?

Ein symbolisch bezeichnender Grenzfall liegt wieder einmal vor - und wieder einmal sind staatliche Instanzen und politische Personen nicht imstande, einigermaßen mannhaft (wenn dieser Begriff noch erlaubt sein sollte) zu den offiziell verkündeten Prinzipien zu stehen und also den Rechtsstaat mit Leben zu erfüllen. Ein heikler Grenzfall gewiss, aber dazu sind Grenzfälle eben da: anzuzeigen, wo wir wirklich stehen.

Silke Maier-Witt war einmal Terroristin, und das nicht zu knapp. Sie war an der Vorbereitung der Entführung (und Ermordung) von Hanns-Martin Schleyer beteiligt. Sie hat ihre Strafe verbüßt, sich vom Terrorismus losgesagt und, wie es heißt, den Dialog mit den Opfern gesucht. Dies sind keine besonderen Verdienste - aber doch ein ernster Hinweis darauf, dass die Strafjustiz in diesem Fall ihr Ziel erreicht haben könnte: die Resozialisierung. Der Rechtsstaat ist sozusagen mit ihr quitt, und nun müsste sie ein normales, rechtstreues Leben führen können. Wenn man sie denn ließe.

Silke Maier-Witt hat inzwischen Psychologie studiert. Im Sommer bewarb sie sich auf eine Anzeige in der "Zeit" hin bei einer Initiative "Forum Ziviler Friedendienst", die Fachkräfte suchte, die im Kosovo vom Krieg traumatisierten Menschen beistehen sollen. Sie wurde rund 70 Mitbewerbern vorgezogen. Derzeit nimmt Frau Maier-Witt an einer viermonatigen Ausbildung in ziviler Konfliktbearbeitung teil. Diese Schulung wird vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gefördert.

Aber nun hat das Ministerium, wie man so sagt, die Hosen voll. Silke Maier-Witt darf den Kurs nur am Katzentisch verfolgen - als "Hospitantin". Und ob das Ministerium willig ist, ihren späteren Einsatz im Kosovo zu finanzieren ist noch offen; zur Not müssen die Friedensdienstler sammeln gehen.

Mag sein, dass eine klare, standfeste Entscheidung des Ministeriums schwierig ist - wenn schwierig heißt, auch dort zu den Prinzipien zu stehen, wo irritierte Fragen gestellt werden könnten und wo andere sich gerne wegducken möchten. Aber wozu bräuchten wir sonst überhaupt die Zivilcourage, den bürgerlichen Mut? Es könnte sogar sein, dass in einem speziellen Einzelfall gute Gründe für ein klares Nein gegen einen bestimmten Einsatz auch eines resozialisierten Straftäters vorliegen; dann müssen die Gründe konkret und nachprüfbar auf den Tisch. Aber was eben wirklich nicht angeht, ist das feige Sich-Verdrücken zwischen Ja und Nein. Und das auch noch durch verfassungsstaatlich gebundene Instanzen. Wie soll denn da der normale Arbeitgeber begreifen, was das heißt: resozialisiert?

Immerhin, der Generalbundesanwalt - selber kein rechtsstaatliches Weichei - hat Silke Maier-Witt die Abkehr vom Terrorismus bescheinigt. Und auch dies: dass er keine Bedenken gegen ihre berufliche Pläne hege. Die zuständige Ministerin hingegen, einst als "rote Heidi" mit scharfen Sprüchen der anti-autoritären Art und mit Bekenntnissen zur Sozialisierung gerne zur Hand, traut sich bisher nicht einmal, die Resozialisierung wenigstens in diesem Fall zuzulassen. Wenn sie hier weiter wegtaucht, leidet nicht nur ihre eigene Glaubwürdigkeit, sondern auch die des Rechtsstaats. Deshalb gilt hier Matthäus 5, Vers 37: "Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel." Was darunter ist, auch.

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