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Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass steht in der Kritik

© dapd

Update

Historiker rügt Günter Grass: "Kritik ja, aber nicht von ehemaligen SS-Leuten"

Außer der Union kritisieren alle Parteien, dass Israel den Autor zur unerwünschten Person erklärt. Der Historiker Michael Wolffsohn dagegen begrüßt das Einreiseverbot für Günter Grass in Israel.

Nach der allgemeinen Empörung über das gegen Israel gerichtete Gedicht von Günter Grass stößt nun die Reaktion des Landes, den Autor mit einem Einreiseverbot zu belegen, auf breite Ablehnung. Politiker von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei nannten dies überzogen und kontraproduktiv. Nur aus der Union kam Verständnis. „Israel entscheidet selber, wer willkommen ist und wer nicht“, sagte JU- Chef Philipp Mißfelder dem Tagesspiegel. Der jüdische Staat befinde sich in einer „existenziellen Bedrohungslage“, das erkläre die Reaktion. Grass solle sich entschuldigen. Der 84-Jährige selber wollte sich nicht mehr äußern.

Israels Innenminister Eli Jischai hatte erklärt, er sehe es „als Ehre“ an, dem Deutschen die Einreise ins Heilige Land zu verbieten. Grass sei ein „antisemitischer Mensch“, eigentlich müsse man ihm auch den Literaturnobelpreis aberkennen. Außenminister Avigdor Lieberman wertete die Thesen von Grass als „Ausdruck des Zynismus“. Im Willen, noch ein paar Bücher mehr zu verkaufen, sei man bereit, „die Juden ein zweites Mal auf dem Altar verrückter Antisemiten zu opfern“.

Vielen deutschen Politikern ging die israelische Reaktion zu weit. Das Einreiseverbot bestätige ungewollt die Grass- These, dass Kritik an Israel für Deutsche tabu sei, sagte SPD-Fraktionsvize Gernot Erler dem Tagesspiegel. Die Causa werde in Israels Innenpolitik „bugsiert“, das führe „weg von den Unhaltbarkeiten der Grass’schen Behauptungen, schafft ihnen sogar Deckung und evoziert falsche Solidaritäten“.

Grass hatte Israel unterstellt, mit einem atomaren Erstschlag zu drohen, der das iranische Volk auslöschen könnte. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast äußerte die Sorge, am Ende redeten alle „über das Einreiseverbot und nicht mehr über den Inhalt“ des Gedichts. FDP-Minister Daniel Bahr nannte das Einreiseverbot „völlig überzogen“. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wollte den Schritt nicht kommentieren. Allerdings kritisierte er Grass dafür, Israel und den Iran auf die „gleiche moralische Stufe“ gestellt zu haben. Jan van Aken (Linke) forderte, Israel zur Aufhebung des „mittelalterlichen Banns“ zu drängen.

Israels früherer Botschafter Avi Primor nannte das Einreiseverbot populistisch. Israels Innenminister verstehe „gar nichts von Deutschland“, sagte er der ARD. Der Historiker Michael Wolffsohn bezeichnete den Schritt als „absolut legitim“. Es gehe darum, der Welt zu zeigen: „Kritik ja, aber nicht von ehemaligen SS-Leuten.“ Dass sich ein Autor, der diese Vergangenheit über 60 Jahre beschwiegen und nicht wirklich verarbeitet habe, „zur moralischen Instanz im Allgemeinen und über die Nachfahren der Nazi-Opfer im Besonderen emporschwingt“, sei inakzeptabel.

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